Wellenreiten zum Weissenstein 1395m ü. M.

Mindestens eine Jurawanderung pro Jahr muss sein. Mein Interesse für Geologie und der weite Blick über das Mittelland zur Alpenkette kompensieren das fehlende Spektakel. Heute steige ich von Oensingen auf die Kante der Klus von Balsthal und surfe über verschiedene Gratrücken und Gipfelchen, quasi wellenreitend, zum Weissenstein. Eine drohende Gewitterfront drückt auf das Wandertempo.

„Schwengimatt“ steht auf den Schildern beim Bahnhof Oensingen. Da muss ich hin. Gemeint ist damit eine bewirtschaftete Alp mit Windrad und Skilift, gleich hinter der ersten Falte der Jurakette auf rund 1000m. Die 600 Höhenmeter dahin führen vornehmlich durch einen Frühlingswald, kurz unterbrochen durch die Waldenalp, wo mich hochstehendes Gras und das ersehnte Panorama auf die Alpen erwartet.

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Waldenalp ob Oensingen. Noch scheint die Sonne, und die Alpen (hier die Berner) grüssen

Kurz nach der Überschreitung der Grats treffe ich auf einen Pfeil mit der Aufschrift „Durchblick in die Urzeit“. Die Neugierde ist geweckt, ich zweige vom Weg ab. Das kostet einige Höhenmeter und führt direkt an die Kluskante, wo eine gutgemachte Infotafel die Besonderheiten der Faltung des Juras erklärt, in dessen Eingeweide die Klus Einblick gewährt.

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Die Klus von Balsthal

Wenig später erreiche ich die friedliche Schwengimatt. Kein Mensch da, ich lasse das Beizli mit dem grossen Kinderspielplatz links liegen und wandere zügig weiter. Im Nordwesten ist es ganz schön grau, ich zweifle, ob das föhnbestimmte Wetter wie versprochen bis 14.00 Uhr hält. Der Weg wechselt nun wieder auf die Südseite und führt wieder in den Wald. Der nun schmal gewordene Pfad folgt dem Grat der felsigen Breitfluh, die gegen Süden immer wieder eindrückliche Tiefblicke zulässt. Mit dem Hällchöpfli (1235m) wird ein erster „Gipfel“ erreicht, der mit einem schönen, bebankten Aussichtspunkt aufwartet. Allerdings verstecken sich gleich dahinter militärische Anlagen, die mit hohen Zäunen hermetisch abgeriegelt sind.

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Der Blick ins Mittelland, nun leider schon ohne Fernsicht
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Gratimpressionen auf der Breitfluh

Jetzt führt ein kunstvoll angelegter Pfad mit vielen Stufen steil über die Südflanke in die Tiefe. Das stolze Werk einer Langenthaler Schulklasse, wie eine kleine Tafel festhält. Rund 150Hm tiefer erreiche ich bei Hinteregg die nächste Alp, die sich zwischen zwei Jurafalten klemmt. Hier lohnt es sich, den Gratweg über den Schatteberg anzupeilen. Es folgt ein stetiges Auf und Ab über den zerfurchten Grat, das mehr Kraft verschlingt als der Alpweg, aber dafür kommt man in den Genuss spannender Tiefblicke ins Mittelland. Zahlreiche Feuerstellen weisen darauf hin, wie friedlich hier gechillt werden kann. Dann werden die Felsen zu richtigen Wänden, unzählige Bohrhaken weisen auf einen populären Klettergarten hin. Ich befinde mich in der „Bättlerchuchi“, gleich neben einer schmalen Passstrasse. Google findet keine eindeutige Erklärung für den speziellen Flurnamen. Entweder sollen es die Kesselflicker oder die armen Welschenrohrer gewesen sein, die hier oben jeweils pausierten, bevor sie ins „reiche“ Mittelland abstiegen.

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Der Einstieg zum Schatteberg
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Kletter-Eldorado „Bättlerchuchi“
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Skulptur beim Hochchrüz. Was will uns der Künstler sagen?

Es folgt eine weiteres Auf und Ab, bis ich am Fuss des Chamben wieder das Alpsträsschen erreiche. Ich wechsle erneut auf die andere Talseite und erklimme den zweiten Gipfel des Tages. Aufgepasst: Der offizielle Pfad führt nicht über den höchsten Punkt des Chamben, folge also den etwas undeutlichen Spuren, die links weg nach oben führen. Es lohnt sich, zuoberst erwartet Dich ein hübscher, leicht ausgesetzter Picknickplatz mit Bank (siehe Titelfoto).

Der westliche Abstieg vom Chamben ist reizvoll angelegt, stellenweise mit Ketten gesichert und führt über viele Treppenstufen. Dann erreicht man den Vorgipfel und damit eine blumige Weide, die sanft sinkend über die Westflanke zum bewirteten Niederwiler Stierenberg hinunterführt. Mein Magen knurrt, ich freue mich auf das Bergbeizli. Gleichzeitig sehe ich, wie es im westlichen Jura immer schwärzer wird. Soll ich lunchen oder nicht? Wenn mich die Gewitterzelle tatsächlich erwischt, kann ich immerhin auf dem nahen Balmberg den Bus nehmen.

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Im Abstieg vom Chamben
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Reicht es noch auf die Röti?

Doch die Alpbeiz nimmt mir die Entscheidung ab: Sie ist zu (Do ab 18.00 und Freitag). So schreite ich über die Alpstrasse zum Balmberg hinunter und pausiere beim Kiosk des menschenleeren Seilparks. Nicht zu lange, denn ich will nun wirklich die Röti (ja, feminin), den einzigen ernsthaften Gipfel auf dem Weg zum Kurhaus Weissenstein, noch mitnehmen. Ich lege einen Gang zu und komme ziemlich ausser Atem, aber immer noch trockenen Fusses, auf dieser freistehenden Kanzel an. Während die eindrückliche Ostwand nördlich umgangen wird, entpuppt sich die Röti gegen Westen hin als harmloser, mässig steiler Wiesenberg.

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Der Blick von der Röti hinunter zum Balmberg und zu den gerittenen Wellen des Tages

Mit der Dreiseen-Landschaft vor mir und dem immer schwärzeren Himmel im rechten Augenwinkel, erreiche ich wenig später das in die Jahre gekommene Kurhaus Weissenstein. Als der Kellner mir den ersehnten Kuchen serviert, verfinstert sich die Welt. Es blitzt und donnert.

Notabene: Für Fans einer Juratransversale: Weiter geht er hier (Grenchen-Solothurn) oder hier (Hauenstein-Oensingen)

Tourdatum: 12. Mai 2017

Kartenausschnitt Weissenstein (pdf)

Interaktiver Kartenausschnitt

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Glück gehabt, in der neuen Weissenstein-Gondel wird man nicht nass

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