Vorbemerkung: Dieser Blogbeitrag aus 2015 wurde im August 2024 aktualisiert und um eine lohnenswerte, etwas längere Aufstiegsvariante ergänzt (siehe ganz unten).
„Die Schwyzer Zinnsoldaten“ nenne ich die stolze Reihe der markanten Gipfel zwischen dem Urnerseee und dem Muotathal. Sie ragen aus einem grossartigen Wandergebiet heraus, das viele, teilweise anspruchsvolle Touren bietet. Heute begleitet uns die jüngste Vertreterin der Alprausch-Dynastie auf den (K)Chaiserstock. Prinzessin Robin lernt, wie man sicher über Felsen kraxelt und hat viel Spass dabei. Wir anderen natürlich auch, nicht umsonst besteige ich diesen prägnanten Gipfel schon zum vierten Mal. Die Tour bietet viel Spektakel für relativ wenig Aufwand.
Kurz nach acht Uhr parkieren wir bei der Chäppeliberg-Bahn zuhinterst im Riemenstaldner Tal. Wir besteigen das rote Metallkistchen, das uns innert weniger Minuten in unser Wandergebiet hebt. Es ist luftig, der Boden ist ein Rost, man sieht direkt in den Abgrund. Das ist nicht für alle easy. Der Blick wendet sich deshalb schnell dem Urnersee zu, der am Talende türkisblau schimmert.
Nur wenige Schritte sind es von der Bergstation zur Lidernenhütte, wo wir uns bei Kaffee und Ovomaltine für die Tour stärken. Das Hüttenpersonal bereitet sich gerade auf ein „Vollwertkost-Weekend“ vor und erwartet einen Ansturm. Was es nicht alles gibt!
Wir wandern los und sind bald alleine. Ein paar junge Geisslein kreuzen unseren Weg, sie erhaschen sich etwas Aufmerksamkeit. Der Pfad führt grundsätzlich wenig steil steigend durch eine labyrinth-ähnliche Landschaft. Kleine Tümpel säumen den Weg, von hie und da ertönen Kuhglocken. Viel Rittersporn steht Spalier für die Prinzessin. Diese meint, die zerklüftete Landschaft erinnere sie an Island. Da muss ich also auch einmal hin. Vor uns baut sich im Gegenlicht der Morgensonne der Chaiserstock auf, seine abweisenden Wände lassen bei meinen Begleitern Fragezeichen aufkommen, wie man da hoch kommen soll.
Wir erreichen die Gratkante und blicken hinab auf die Seenalp mit ihrem hübschen Seeli. Dahinter reihen sich die bekannten Urner Gipfel auf, besonders schön präsentiert sich die Claridenkette bis zum Windgällen. Auf einem Graskänzeli machen wir eine kurze Pause und lassen das reiche Panorama auf uns einwirken. Dreht man sich um blickt man über den Vierwaldstättersee nach Luzern bis zum Jura. Alleine schon für ein Picknick hier wäre das ein Ausflug wert (und als T3 einfach)!
Jetzt wechselt die Markierung von rot-weiss auf blau-weiss. Zu Recht, schon die erste Überwindung eines kleines Felsbandes verlangt Trittsicherheit und gibt den Tarif durch. Wir queren unter der fast senkrechten Westwand des Chaiserstocks bis zum Fuss des Chaisertors. Ein kleiner Einschnitt, eine zufällige Laune der Natur, erlaubt hier den Aufstieg auf den Grat dieses grossartigen Gesteins und macht ihn zum Wanderberg.
Mit einfachem Kraxeln gelangen wir auf den Grat. Pauline scheint erleichtert. „War das alles?“. „Es kommt noch etwas“, schmunzle ich und gehe voraus. Wir drehen um einen Gendarm, und dann beginnt die eigentliche Kraxlerei. Ein Stahlseil zeigt den Weg, und an diesem Ding hält man sich auch gerne fest. Zeitweise etwas ausgesetzt führt die Route zu einem Kamin, das mit einer grossgliedrigen Kette ausgestattet ist – die Schlüsselstelle der Tour (II). Ich biete den Damen an, sie zu sichern, was diese gerne in Anspruch nehmen. Es gibt ein gutes Gefühl, wirklich brauchen tun sie es nicht, beide klettern stil- und genussvoll hoch.
Über ein breites, steiles Schuttfeld, das nochmals etwas Kraft und Schweiss kostet, erreichen wir eine Viertelstunde später – und kaum zweieinhalb Stunden nach dem Start – den grosszügigen Gipfel des komplett freistehenden Chaiserstocks. Die Prinzessin hat sichtlich Freude, ihr Gefolge auch. Die Sicht ist klar wie an einem Herbsttag. Wir sehen Säntis, Glärnisch, Tödi, Titlis, Eiger, Mönch und Finsteraarhorn genauso scharf wie die Kappelibrücke in Luzern und das Seebecken von Zürich. Als wir uns an den Verzehr des mitgebrachten Proviants machen, bringen sich gleich mehrere gefrässige Dohlen in Stellung. Robin macht derweilen die Fotos für ihren Blogbeitrag, schliesslich will sie die schwere Canon nicht umsonst hochgeschleppt haben.
Beim Abstieg leisten die Schlingen und das Seil nochmals gute Dienste. Das Sichern kostet zwar etwas Zeit, dafür bleibt die Kraxelpartie bei allen in bester Erinnerung. Auf dem weiteren Abstieg können wir zunächst noch etwas schuttsurfen bevor wir wieder ins grüne Reich der Kühe zurückkommen, die uns herzlich begrüssen.
Zurück in der Lidernenhütte will Arno die Vollwertküche prüfen, derweil wir andern zunächst nur trinken wollen. Im Angesicht seiner Magronen mit Baumnusspesto verlangen wir dann schnell zusätzliche Gabeln… sehr fein! Wir runden den Genuss mit hausgemachter Glace ab und machen uns mehr als zufrieden auf den Heimweg.
Tourdatum: 28. August 2015
P.S. An der Abzweigung zum Riemenstaldner Tal in Sisikon steht ein etwas in die Jahre gekommener Wegweiser zum Restaurant Kaiserstock (mit wunderschöner Blumenterrasse!). Das „K“ ist eigentlich falsch. Chaiserstock kommt von „Chäseren“. Man merke sich: Auch im Kanton Schwyz gab es nie einen Hofstaat, auch wenn man sich das noch so sehr wünschte. So ist auch Robin nur in meiner persönlichen Wahrnehmung eine Prinzessin…
Kartenausschnitt Chaiserstock (pdf)
Erweiterung vom 9. August 2024:
Die nachfolgende Aufstiegsvariante bis zur Lidernen Plangge ist etwas länger und anspruchsvoller (blauweiss und teilweise unmarkiert) – aber nicht schwieriger als die Schlüsselstelle am Kaiserstock selbst (die übrigens inzwischen dank Metallsprossen wesentlich entschärft worden ist).
Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben
Von der Bergstation folgen wir dem Wanderweg zum Spilauersee, wo wir zum Spilauer Grätli abbiegen. Die blauweiss markierte Route ist nicht immer eindeutig, vor allem im unteren Teil des Aufstiegs verliert sich der Pfad oft im Gras. Die Fersen werden später ziemlich gefordert, aber am Ende der Steigung erwartet uns ein Pausenplatz mit herrlichem Blick über das Reusstal zu den Urner Alpen. Wir sitzen direkt unter der Wand des Rossstocks, auch das fühlt sich gut an.
Vom Grätli aus führt eine nicht auf der Karte eingezeichnete, aber deutliche Spur direkt unter der Wand nach Osten. So spart man sich gute 100Hm Ab- und Wiederaufstieg über den offiziellen Weg. Auf ebendiesen Weg steigen wir später mit der gütigen Mithilfe der Hände durch einen Felsschlitz hoch zur Rossstocklücke.
Von der Lücke führt unser Weg nun nördlich um den Fulen herum bis zur Lidernen Plangge, wo wir auf die ursprünglich beschriebene Aufstiegsroute zum Kaiserstock stossen.
Es ist als wäre man dabeigewesen 🙂
Ich hatte diese tolle Tour mit einer Arbeitskollegin diesen Sommer gemacht. Ihr Blog verfolgen wir regelmässig und insperiert uns für weitere Abenteuer!