Was früher selbstverständlich war, ist heute schon ein Privileg – wenn Tochter Lea Ann mich auf einer Tour begleitet. Die Hürden dafür sind hoch, aber sobald ein Klettersteig eingeplant wird, spitzt sie die Ohren. Also ködere ich sie mit der Sulzfluh, diesem riesigen Kalkbrocken im Rätikon.
Etwas Stirnrunzeln kommt schon auf, als sie realisiert, dass der Parkplatz oberhalb von St. Antönien noch sehr weit vom Einstieg in die 450 Meter hohe Wand weg ist, aber nach etwas gütigem Zureden marschieren wir motiviert los.
Knappe 90 Minuten später stehen wir am Fuss dieser eindrücklichen Felsmasse und zurren die Klettergurte fest. Wild entschlossen will Lea gleich losziehen, nur mit Mühe kann ich sie davon überzeugen, dass ich vorsteige. Die Route hält, was die Website (www.klettersteigsulzfluh.ch) verspricht. Auf der ganzen Länge kommt man kaum zum Ausruhen, an einigen Passagen gelangen wir an unseren Grenzen, so ausgesetzt sind sie. Aber der sekündliche Kontrollblick zu den eingehängten Karabinern gibt das nötige Sicherheitsgefühl. Nur Leas modische Shorts sind ein taktischer Fehler, der sich noch Wochen später in Form von feinen Narben an ihren vom Fels aufgeritzten Beinen manifestieren wird.
Auf dem Gipfel dann der grandiose Rundblick und die Einsicht, dass das Rätikon häufiger Besuch verdient. Wenn nur die Zustiege nicht so lange wären! Wir geniessen nicht lange, denn der Himmel zieht nun schnell zu. Zügig surfen wir über die Restschneefelder zum Abstieg durch das geologisch interessante Gemstobel. Ganz unten werden die letzten 200 Höhenmeter auf Trottinetts vernichtet, die oberhalb des Restaurants Alpenrösli bereitstehen. Zum späten Mittagessen stehen in St. Antönien ein paar nette Hotels zur Verfügung, die allerdings für diese Jahreszeit (Sommerferien) erstaunlich verlassen sind. Wo sind denn bloss die Touristen in dieser schönen Gegend? Wir prosten uns zu, während der erste Donnerschlag eines heftigen Gewitters durch das Tal grollt.
Kartenausschnitt Sulzfluh (pdf)
Tourdatum 19. Juli 2013
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