Krokusse auf dem Gurnigel

Tausende Krokusse, eine noch tief verschneite Gantrischkette vor Augen, ein eigenwilliger Steg – und schwarz-weisse Kühe. Auf Schweizmobil ist das die Route 379: der Gantrisch-Panoramaweg. Die Strecke führt von Gurnigelbad nach Zollhaus und steht schon lange auf meiner Frühlings-Bucketliste. Eine lange, genussvolle Tour für Wanderfreunde, auf bestens ausgebauten Wegen – mit vielen Möglichkeiten zum Abkürzen.

Der Bus in Thurnen ist rappelvoll. «Oje», denke ich, «den Klassiker sollte man wohl nicht an einem Samstag machen!» Doch als das Postauto in Gurnigelbad hält, dem offiziellen Startpunkt des Panoramawegs, steige ich als Einziger aus. «Gutes oder schlechtes Zeichen?», frage ich mich. Das Hotel ist an diesem zweiten Aprilwochenende noch geschlossen, nur ein paar Pferde nicken mir freundlich zu. Ich mache mich auf den Weg.

Die ersten Kilometer Richtung Oberer Gurnigel sind noch wenig spektakulär: etwas Wald, dann Wiesen, schliesslich tauche ich in den schattigen Nordhang des Gurnigelwaldes ein. Keine Aussicht, dafür ein angenehmer Anstieg ohne Schwitzen. Na gut. Doch keine Stunde später erreiche ich eine breite, offene Kuppe – und meine Stimmung hellt sich schlagartig auf!

Krokuszauber

Vor mir breitet sich die Gantrischkette aus, unter mir das Aaretal mit dem Thunersee, dahinter die Berner Alpen in voller Pracht: vom mächtigen Schreckhorn über das Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau bis zum Doldenhorn. Grossartig! Klar, der Blick zurück ins Mittelland ist auch schön – aber nur kurz. Vorne spielt die Musik! Und das Ganze eingerahmt von unzähligen blühenden Krokussen.

Thunersee und Berner Granden
Der Blick vom Oberen Gurnigel ins Mittelland

Ich knabbere einen Riegel, trinke einen Schluck Tee – und versuche, dieses Panorama im Gedächtnis zu verankern. Es folgt ein aussichtsreiches Gratsurfen im sanften Auf und Ab bis zum Gurnigelpass. Das Queren der Passtrasse ist nicht ganz ohne – Vorsicht, damit dich kein röhrendes Motorrad mitreisst. Das Passrestaurant lasse ich links liegen. Der Wanderweg folgt dem Gratrücken, die Beiz liegt etwas unterhalb an der Strasse. Und Lust auf Kaffee habe ich eh noch nicht (und sie ist sowieso noch im Umbau, siehe Kommentare unten, danke für das!)

Wer allerdings die Hälfte der insgesamt über 1’000 Höhenmeter sparen will, kann hier starten. Offenbar haben das viele Mitfahrende im Postauto getan – ich hole später einige von ihnen wieder ein. Wer jedoch erst hier losläuft, verpasst den Oberen Gurnigel – für mich der schönste Aussichtspunkt der ganzen Tour.

Etwas oberhalb des Gunigelpasses geraten die ganz Grossen in den Hintergrund…

Während sich die Berner Viertausender langsam aus dem Blickfeld verabschieden, rückt die Gantrischkette mit ihren vielen kleinen Gipfeln ins Zentrum. Ich denke gern ans Gipfelhüpfen vom Stockhorn bis zum Gantrisch mit Reto zurück. Im Hochsommer ein Traum – jetzt im Frühling ein Ding der Unmöglichkeit. Zahlreiche Lawinenkegel erinnern daran, dass das hier noch kein Gelände für Abenteuer ist.

… denn nun gilt die volle Aufmerksamkeit der Gantrischkette

Die Wegführung über den Gurnigelgrat ist hingegen einfach und ungefährlich: breit, in den Steigungen mit schön ausgebauten Treppen versehen. Ein grösserer Abschnitt verläuft durch teils offene, teils dichtere Wälder. Offen heisst in diesem Fall: viel harter Altschnee unter den Sohlen. Im geschlossenen Wald hingegen ist er bereits komplett verschwunden.

Bald erreiche ich den höchsten Punkt der Tour, die Schüpfeflue (1’721 m). Zeit für eine Pause am Picknicktisch – mit Aussicht je nach Sitzplatz auf die Berge oder ins Mittelland.

Auf der Schüpfeflue

Danach führt der Weg etwas unspektakulär durch dichteren Wald weiter. Im Winter verlaufen hier Langlaufloipen, jetzt begleiten mich nur die unzähligen weissen Pestwurze, die aus dem Boden schiessen – auch ein Highlight.

Fette weisse Pestwurze (was für ein schrecklicher Name für die weissen Schönheiten)

Nach dem Schwarzenbühlpass wird die Route wieder spannender. Es geht durch eine aussichtsreiche, fast taigaartige Landschaft hinauf zum «Gägge» (was für ein Name!). Ein Abschnitt des Wegs verläuft auf Brettern über den moorigen Boden. Dann stehe ich vor dem «Gäggersteg» – eine eigentümliche Stahl-Holz-Konstruktion, die sich im Zickzack drei bis fünf Meter über den Hang zieht. Ein spezielles Spektakel, das wohl Wanderlustige in diese abgelegene Gegend locken soll. Ich mache natürlich ein paar Fotos – aber den Sinn der Konstruktion habe ich bis heute nicht ganz verstanden (meine Leser wissen es, siehe Kommentar unten. Danke!).

Der Gäggesteg

Vom Gägge geht es weiter auf dem Gratrücken durch den Wald. Die letzte markante Erhebung heisst «Pfyffe». Dann senkt sich der Weg, und beim Horbühlpass (kein Autopass!) ist der Wald endgültig vorbei. Es folgt ein herrlicher Panoramaweg über offene Wiesen – mit Ausblick auf die Täler der kalten und warmen Sense. Die Kaiseregg trennt die beiden. Die Gipfel der Gantrischkette heissen hier «Ochsen» und «Märe», während in der Ferne hinter dem Schwarzsee die Zacken der Freiburger Dolomiten auftauchen.

Picknicken mit Sicht auf die Talschaften der beiden Sensen

Auch die Sonne meldet sich nochmal zurück – ich geniesse mein spätes Picknick auf trockenem Gras, gewärmt von den Strahlen. Doch ich darf mich nicht täuschen lassen: Die Wetter-App gibt mir nur noch eine gute Stunde bis zum ersten Regenguss.

Die Farbe der Kühe zeigt den Kantonswechsel an

Also weiter. Über die Matten, jetzt stetig abwärts. Bald sehe ich die Kantonsstrasse in Zollhaus unter mir – das Ziel ist nah. Ich blicke zu den dunklen Wolken und rufe spöttisch: «Ihr erwischt mich nicht!» Ein Dutzend Freiburger Kühe lümmelt neben mir im Gras und schaut mich leicht irritiert an. Denen sind Regentropfen eh egal. Und mir – na ja, eigentlich auch. Trotzdem erfüllt mich ein stilles Glück, als wenig später das Himmelwasser gegen die Frontscheibe des Postautos peitscht.

Tourdatum: 12. April 2025

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben

Kartenausschnitt Gurnigel (pdf)

 

2 Kommentare

  1. Der Gäggesteg heisst richtig Gäggersteg, er wurde erstellt damit man die Sturmschäden sieht ohne dass man durch den Wald trampeln muss, bei gutem Wetter ist er sehr gut besucht. Das Gurnigelbad war bis vor wenigen Wochen Asylunterkunft, jetzt dient es als Reserve falls die Zahl der Asylsuchenden wieder ansteigt, also bis auf weiteres keine Beiz. Es gibt eine Geschichte des ehemaligen riesigen Hotels, google findet diese. Das Restaurant Berghaus Gurnigel wird zur Zeit umgebaut und wird wieder eine Beiz. Ich finde Deine Beiträge sehr interessant und dienen mir als Wandervorschläge., besten dank

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