Der Piz Ela ist der Wächter über Bergün und der rundum dominierende Gipfel im Parc Ela. Ich umrunde ihn heute von Bergün aus. Eine sehr auswechslungsreiche, stille Tour in einer um diese Jahreszeit sehr rauhen Gegend.
Die Umrundung des Piz Ela steht schon seit meiner Wanderung über den Orgelpass zur Alp Flix im September 2016 auf meiner To-Do-Liste. Es ist zwar schon reichlich spät in der Saison, aber ich meine, dass der Föhn genug gearbeitet hat, um nochmals trockenen Fusses über die hohen Pässe auf seinen Schultern zu gelangen.
Die Reise beginnt mit einem kurzen Bahnabenteuer – die Rhätische Bahn bringt mich von Bergün nach Preda über die berühmte Bergstrecke, deren Kurven und Tunnel ich in der fünften Primarschulklasse alle auswendig lernen musste. Ich lasse die Welt für einen Moment hinter mir zurück und verweile in alten Zeiten, während wir sanft durch die Talschaft gleiten.
Als ich in Preda aussteige, spüre ich bereits die kühle, frische Bergluft, die mir die Lungen füllt und das Herz leichter macht. Die Sonne liegt sanft auf die herbstliche Landschaft, die sich golden und grün wie ein lebendiger Teppich um mich legt. Nach wenigen Wanderminuten entlang der Bahnlinie erreiche ich den hübschen Weiler Naz und ich zweige in das Val Tschitta ab, wo das Rauschen des Bachs meinen Weg wie eine leise Melodie begleitet. Herrlich!
Je höher ich steige, desto lichter wird der Wald – die gelbbraunen Lärchen weichen allmählich der offenen Alp, und der Blick wird weiter. Ich kann in der Ferne schon die Nachbarn des Piz Ela erkennen, dessen markanter Gipfel wenig später stolz über dem Tal thront – als ob er mich einlädt, näherzukommen und seine Geschichten zu hören. Das Wetter ist perfekt: Im Schatten ist es kühl, fast beissend, doch in der Sonne wärmt mich eine sanfte Glut. Ich lasse die Kälte hinter mir, hebe den Blick zur Sonne, und erklimme den steiler werdenden Weg hinauf zum Tschittapass. Ich drehe in ein steiniges Tälchen, durchschreite eine steinige Mondlanschaft und sehe bald die Passtafel.
Oben angekommen halte ich den Atem an: Die Aussicht ist überwältigend. Vor mir liegen die schroffen Kalkwände des Piz Ela und seiner Gefährten, der Piz Mitgel und der Piz Tinizong. Wie erhabene Wächter inmitten einer majestätischen Stille. Hinter mir die
Die Felsen leuchten im Sonnenlicht, während ich auf den Pfad blicke, der nun hinabführt zu zwei stillen Seen, deren Oberfläche bereits ein zarter Hauch von Eis bedeckt. Etwas Schwarzeis glänzt auch schon auf den schattigen Pfadpassagen. Vorsicht ist angebracht. Dann steige ich wieder in voller Sonne auf den rot schimmernden Rücken, der mich auf den Ela-Pass führt.
Vom Ela-Pass traversiere ich zum Orgelpass. Das wäre grundsätzlich nicht nötig, aber es reiz micht. Die Felsformationen sind bizarr und eindrucksvoll – Spitzen und Säulen wie uralte Orgelpfeifen, die in den Himmel ragen. Dann führt der Pfad hinab zur kleinen Ela-Hütte, wo ich mir eine kurze Rast gönne. Ich stärke mich mit einem Ovi-Riegel und geniesse das spezielle „Oktoberfeeling“. Die tiefstehende Sonne und die friedvolle Stille.
Noch einmal nehme ich eine kleine Herausforderung an und steige weitere 150 Höhenmeter hinauf, zum Gratrücken des Gross Ross. Der vierte Pass, der die Umrundung komplettiert. Hier oben breitet ein unendliches Panorama vor mir aus: Bergün liegt weit unten, und dahinter reihen sich die Gipfel um den Piz Kesch in ihrem frischweissen Kleid. Die Sonne verschwindet nun bald hinter den Bergen, und der Himmel färbt sich in sanften Dämmerungstönen.
Gemächlich trotte ich den schmalen Pfad hinunter, der mich durch einen gelben Lärchenwald führt, dessen herabgefallene Nadeln wie ein goldener Teppich unter meinen Füssen knistern. Die Farben des Waldes sind so warm und einladend, beinahe märchenhaft – es ist, als würden die Bäume mir einen Saison-Abschied schenken, bevor ich ins Tal zurückkehre. Weiter unten füllen knorrige Föhren und stolze Tannen den Hang. Schliesslich stapfe ich über saftige Kuhweiden, die ins schattige Bergün führen.
Am Bahnhof bleibt gerade noch genug Zeit für ein Bier – ein letzter Genuss, der die Eindrücke des Tages rund macht. Müde, aber erfüllt von all den Farben, der Stille und der Schönheit dieses Bergtages steige ich in die Rhätische Bahn auf dem Weg zurück nach Zürich. Nun darf es Winter werden.
Tourdatum: 30. Oktober 2024
Interaktiver Kartenabschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben
Wunderbare Tour !!
Ist das auch mit dem Bike möglich??