Wir wandern von Maloja zum Cavlocsee und tauchen in das lange Val Forno ein. Hoch über dem Gletscher thront die Fornohütte, wo wir Gewicht zurücklassen um dann beschwingt auf den Monte Forno zu kraxeln. Am Abend erwartet uns viel Bergromantik im Umfeld der SAC-Hütte. Doch lest selbst: die zweite Etappe der Bergell-Trilogie.
Nach einem reichhaltigen Frühstück verabschieden wir uns vom Team des „Schweizerhauses“ und zielen auf das Val Forno zu. Es zweigt im 90 Grad-Winkel von der Achse Oberengadin-Bergell ab. Das viele Wasser des Fornogletschers fliesst nach Süden, wie ein mächtiger Damm auf der Passhöhe zeigt. Er bietet Schutz vor den Hochwassern der Orlegna, die sich sonst ungebremst über die steile Rampe ins Bergell stürzen würden. Der Malojapass ist eben schon ein spezieller Ort – nördlich das breite, sehr flache Oberengadin mit seinen Seen und südlich das enge, steile Bergell, das innert weniger Kilometer von 1800 auf 300 Meter (Chiavenna) abfällt.
Bald verlassen wir die Passebene und tauchen in den wohlriechenden Wald ein. Wir erklimmen durch eine kleine Schlucht die erste Talsperre, hinter der sich traumhaft schön gelegen der Cavloc-See verbirgt. Wer Höhenmeter sparen will, könnte ihn rechts liegenlassen, aber der kleine Effort der Seeumrundung wird mit viel Romantik schnell amortisiert.
Es geht vorerst im leichten Auf und Ab weiter. Der Pfad führt mit Blick auf die Vorgipfel des Monte del Forno entlang des Bachs nach Plan Canin, wo ein Pfad über den Murettopass nach Italien abzweigt. Das Tal wird hier schmaler und wilder. Eine Tafel orientiert uns, dass die Gletscherzunge des Fornogletschers einst bis hier hinunterreichte. Das merkt man der Blocklandschaft auch an – wir kommen nicht mehr so schnell voran. Dafür erfreut die Wildheit und schöne Flora Auge und Herz! Gut zwei Kilometer weiter oben erreichen wir den Gletscher und überqueren das Brücklein über den Gletscherbach.
Zeit für eine Pause! Und einen Fokus auf ein intensives „Reinziehen“ des Panoramas mit viel Eis und der stolzen Torrone-Gruppe mit ihren eigenwilligen Pfeilern. Gut schauen wir jetzt genau hin, denn bald winden sich die ersten Wolkentürme um die Gipfel. Es werden rasch mehr. Als wir nach einer Stunde Aufstieg durch die steinige Seitenmoräne die Fornohütte erreichen, ist alles zu.
Janu, dann eben zuerst einmal Zimmer beziehen und den Rucksack leeren. Notabene: wir konnten mit viel Glück einen Zweier-Schlag reservieren! Es gibt nur vier davon in dieser SAC-Hütte – es lohnt sich! Beim Mittagessen hoffen wir vergeblich auf bessere Sicht, aber immerhin scheint es trocken zu bleiben. Die Wolken sind nicht zu dick, und so entschliessen wir uns, die Erklimmung des Monto del Fornos trotzdem unter die Füsse zu nehmen.
Mit minimalem Gepäck macht das natürlich doppelt Spass. Bis zur Sella di Forno ist das Blockhüpfen noch ein Kinderspiel, dann beginnt die Kraxlerei. Gut blau-weiss markiert führt unsere Route unter regelmässiger Mithilfe der Hände kräfteraubend über den schuttigen Grat nach oben. Am Gipfelaufbau erwartet uns ein besonderer Leckerbissen. Rund 80 der letzten 120 Höhenmeter führen – mittel- bis stark ausgesetzt – direkt durch eine schwarze Wand, vereinfacht dank Ketten und Sprossen. Cool! Ohne die Dinger wäre das eine echt anspruchsvolle Kletterei deutlich oberhalb meiner Komfortgrenze.
Nur spielt sich jetzt eine Wolke, von der italienischen Seite kommend über den Grat schleichend, als Spielverderberin auf. Sie hüllt uns ein, und just als wir das Gipfelkreuz erreichen, fängt sie an uns zu bespritzen. Das ist nicht nett! Sicht Null, und jetzt auch noch nass – und wir müssen ja noch runter… Mit einer nassen Kette ist das anspruchsvoller als zuvor, aber mit der nötigen Vorsicht geht es trotzdem sicher. Einfach Pech gehabt – als Trost (oder aus Trotz?) poste ich unten ein Panorama-Foto von Bernard von Dierendonck, das ich später in der Hütte entdecke. Wäre schön gewesen! Trotzdem muss ich leise schmunzeln – den anregenden Adrenalinschub während der Kletterei konnte mir auch die Wolke nicht nehmen.
Und wie es so oft ist — kaum sind wir wieder unten auf dem Pass, klärt es auf. Als wir die Hütte erreichen, scheint auch die Sonne wieder. Aber es gibt nichts zu klagen, denn die Hütte füllt sich mit netten Menschen und spannenden Erzählungen. Auch der Apero und der zNacht sind gut. Mit der Abendstunde kommt sogar das ersehnte Alpenglühen. Das sanfte, schon etwas herbstliche Licht macht die Sicht auf Berge und Gletscher zur Augenweide.
Und als zu guter Letzt noch ein stolzer Steinbock auftaucht, der sich in Gehdistanz zur Hütte vom spärlichen Gras ernährt, erhält die Romantik dieses Tages noch das Tüpchen auf dem i.
Tourdatum: 22. August 2024
Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben
Kartenausschnitt Monte del Forno (pdf)
Schwierigkeit: Bis zur Sella di Forno Bergtour T3 (rotweiss), zum Gipfel Alpinwandern T4 (blauweiss)
Notabene: Kein Mobiltelefon-Empfang im Fornotal und auch kein Internet in der Hütte. Zwischen Sella di Forno und Monte del Forno hat man Empfang.
Sehr schön Edwin,
das ist Pech mit der Wolke. Im 2018 hatte ich es besser:
https://kley.ch/hansjoerg/2018/2018_2/2018_2_14.html
Rückblickend: Den Abstieg vom Sattel bei P. 2942m zum Passo del Muretto habe ich in nicht so guter Erinnerung. Du hast mE richtig entschieden mit Rückkehr zur Fornohütte.
Beste Grüsse aus Winterthur