Die Besteigung des Piz Minschun bei Scuol ist eine ziemlich alpine Angelegenheit. Der Gipfelsturm zum prächtigen Aussichtsberg ist nicht allzu schwierig, aber stellenweise brutal steil. Aber auch wer dieses reizvolle Teilstück weglässt, kommt bei der hier beschriebenen Wanderung auf seine Kosten. Dank den Bahnen mit wenig Mühe und viel Genuss für die Augen und den Magen!
Wer in Scuol eine Hotelnacht bucht, bekommt zu meiner Überraschung eine Gästekarte, mit der man unter anderem die Bergbahnen kostenlos nutzen darf. Ich bin zwar kein Liebhaber von Wandern in Skigebieten, aber hier mache ich gerne eine Ausnahme. Denn so ist der als prächtige Aussichtsberg gepriesene, 3067m hohe Piz Minschun mit wenig Aufwand zu erreichen.
Die Gondel startet zwar erst um 8.30, aber nach der anstrengenden Tour von gestern war ein ausgedehntes Frühstück ganz okay. Nur 10 Minuten später stehe ich auf über 2100m. Von Donnerstag bis Sonntag gibt ein Sessellift sogar nochmals 300 Höhenmeter drauf, aber darauf verzichte ich. Lieber folge ich dem Fahrsträsschen, das über üppige Alpweiden zum Speichersee und der Bergstation der besagten Sesselbahn hochführt. In Reih und Glied stehen die Wasserkanonen für den nächsten Winter bereit. Schon verrückt, dass dies auf 2400m Höhe nötig geworden ist! Aber es sind eben exponierte Südhänge, wo sich die Ski- und Board-Begeisterten im Winter austoben wollen.
Ab der Bergstation folgt eine kurzweilige Traversierung, die zunächst zur Alp Clüvas und nur leicht steigend weiter zur Muot da l’Hom führt. Es ist noch stark bewölkt, auch wenn der Wetterbericht Sonne anzeigt. Janu, dafür ist es herrlich frisch und das Flachstück auf dem breiten Weg lädt zum Studium der Gipfelreihen auf der gegenüberliegenden Talseite ein.
Vor einer Bachbrücke zweigt meine Route nach Norden ab und führt in den Schoss des Piz Minschun. An dessen Fuss breitet sich hinter einer grasüberwachsenen Moräne der gleichnamige See aus. Eine Augenweide, die zum lauschigen Picknick lädt. Doch dafür ist es noch viel zu früh.
Am Seeufer bei Punkt 2642 beginnt der nicht markierte, aber nicht weglose Teil (T3/T4) zum Gipfel. Hier geht es schnell zur Sache. Die unbekannten Pfadleger müssen jung und stürmisch gewesen sein. Die Spur steigt gnadenlos steil hoch zum Joch auf dem Südwestgrat. Und rutschig ist es auch. Aber okay, ein schlechter Pfad ist hier doch noch besser als kein Pfad. Auf dem Buckel angekommen, begrüsst mich ein Felsriegel, der westlich unterhalb einer Nase einfach umgangen werden kann. Es ginge auch direkt, aber das ist dann richtig kraxeln. Der Pfad folgt nun dem Grat, der sich zum Schluss nochmals richtig aufsteilt und zum gelegentlichen Innehalten zwingt.
Der Piz Minschun hält, was er verspricht! Die Aussicht auf diesem freistehenden Steinklotz ist phänomenal. Im nahen Westen die lange Gipfelreihe vom Fluchthorn bis zum Piz Buin und die Silvrettagruppe, im Süden das weisse Grialetsch-Massiv, im Osten die markanten Nationalpark-Gipfel. Dahinter meine ich sogar die Ortlergruppe und einige Ötztaler-Grössen zu erkennen. Cool!
Auch der Gipfel selbst bietet etwas Besonderes: Er wird von einem schnuggeligen Gipfelhäuschen anstatt eines Gipfelkreuzes geschmückt. Darin versteckt sich das Gipfelbuch, in das ich mich schmunzelnd eintrage. Dann kommen zwei junge Engadiner auf den Berg gestürmt und packen gleich ihr „Röteli“ aus. Was denn das sei, frage ich. Sie lachen: „En Chriesi-Likör-Shot! Willsch au eine?“. „Klar doch“, sage ich neugierig und stosse bald mit Tina und Kevin an. Der Abstieg folgt über die gleiche Route hinunter zum See und zur Brücke am Bach. Diesmal begleitet von einer erschrockenen Gemsdame und ausgepfiffen von unzähligen Murmeltieren.
Mein Weg führt nun wieder auf breitem Pfad weiter zur Aussichtskanzel Muot da‘ l’Hom, die insbesondere eine fantastische Sicht auf den markanten Piz Buin und seine Trabanten bietet. Mit dem immer noch zahlreichen Schnee sieht das Gebirgsensemble einfach zum Anbeissen aus. Der nun folgende Abstieg zur Alp Laret muss mit den Trail-Bikern geteilt werden, die auf diesem aussichtsreichen Grasrücken sehr verwöhnt werden mit einer top angelegten Route. Ich schaue indessen lieber in die Ferne…
Die Alp Laret ist fest in Südtiroler-Hand. Sowohl das Wirteteam wie die Speisekarte sind unverwechselbar. Auf der tollen Aussichtsterrasse gibt es unter anderem Speckknödel und Kaiserschmarren. Man munkelt, letzterer sei der Beste im Unterengadin. Das muss ich natürlich probieren. Aber Achtung: die kleine Portion reicht völlig um satt zu werden!
Mit vollem Magen mache ich mich auf für das letzte Teilstück der Tour. Der Weg führt traversierend zurück im etwas mehr „Ab“ als „Auf“ nach Priu. „Einfach auslaufen“ denke ich. Aber weit gefehlt! Dieser voll südorientierte Steilhang ist ein absolutes Bergblumen-Paradies! Sowohl die trockenliebenden wie die feuchtliebenden Exemplare haben hier ihr schmuckes Plätzchen gefunden. Und das eingepackt mit einer schönen Aussicht auf Ftan und das Schloss Tarasp!
Jetzt bin ich wirklich vollends begeistert von dieser Tour, die alle Erwartungen übertroffen hat. Sogar der Himmel ist jetzt fast nur noch blau. Ich könnte auch die Beiz an der Bergstation mit ihrer überaus reichhaltigen Menü-Karte nochmals empfehlen. Aber das lässt der Kaiserschmarren in meinem Magen nicht mehr zu. Stattdessen steige ich auf den Sessellift und lasse mich vergnügt die 300Hm hinunter nach Ftan gondeln.
Tourdatum: 20. Juli 2024
Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben
Wie schön, bist Du noch in Scuol? Dann würde morgen ein Kaffee klappen…
Nein, aber ich komme im August wieder. Es gibt dort noch viel zu entdecken….
vielen Dank für die schönen Fotos,auch die mit den Blumen!