Ein Sommer ohne Alpstein ist kein Sommer. Zum Glück lädt ein Freund kurzfristig zum Geburtstag nach Wildhaus ein. So komme ich zu meiner dritten Besteigung der Silberplatten. Und diesmal sind die Fotos so schön, dass der Trip nach einem Blogbeitrag schreit. Überzeugt Euch selbst. Ein Einblick in ein geologisches Wunderland.
„Ich betreibe am 24. September den Kiosk des Skiclubs auf dem Parkplatz Laui“, schreibt Erhard. „Ich habe Geburtstag – es hätt solangs hätt!“. Da muss ich natürlich hin, denn auch der Wetterbericht verspricht viel Sonne und wenig Wolken. Ich war den ganzen Sommer noch nicht im geliebten Alpstein unterwegs. Ab Laui (oberhalb Unterwasser) bietet sich die Tour zum Gräppelensee, Lütispitz und Neuenalpspitz an – oder eben die Direttissima über die Lauchwis zu den Silberplatten mit anschiessender Traverse zur Tierwees und wieder hinunter durch die Karrenfelder nach Laui.
Als ich um 9.00 ankomme, ist Erhard noch nicht da – naja, dann halt ohne Kaffee starten und später feiern. Es ist sowieso noch mehr als frisch, 6 Grad zeigt das Thermometer. Die Spitzen der Churfirsten präsentieren sich mit frischem Schnee, auch der noch wolkenverhüllte Säntis ist gut eingepudert. So zottle ich zügig los und versuche warm zu bekommen.
Nach dem Einstieg in den Hang gelingt das schnell. Und sobald die Sonne hinter dem Schafberg hervorschaut, verschwindet auch mein Windstopper schnell im Rucksack. 1000 Höhenmeter sind bis zur oberen Kante der Lauchwis zu bewältigen. Das geht hier ziemlich zur Sache, dafür gewinne ich schnell an Höhe. Zunächst sind es noch Weiden, nach einem Wäldchen wird es kalkig. Auf den glatten Felsen sind schon diverse Kletterer unterwegs.
Ich schaue ihnen ein Weilchen zu, das gibt einerseits Gelegenheit zum Luft holen, andererseits zur Bestaunung der Umgebung. Gams- und Schwarzchopf heissen die bizarren Felsformationen über mir, die so unverwechselbar für den Alpstein sind. So schmelzen die Höhenmeter rasch dahin, bald erreiche ich die Scharte, die auf die Lauchwis führt. Hier wird die freie Sicht auf die Hügellandschaften von Toggenburg und Appenzell präsentiert, bis hin zum Bodensee. Wunderbar!
Die Lauchwis zehrt an die Fersensehnen. Der Pfad hinauf zur ihrer oberen Kante ist sehr steil, erbarmunglos steil. Und glitschig. Aber die Mühe wird belohnt! Es folgt eine leicht ausgesetzte Traverse entlang der Nordflanke des Stooss zu dessen Sattel. Und dort erwartet mich einer dieser „Wow-Orte“, von denen ich nie satt werde. Es ist der Blick auf den Säntis und direkt in die Eingeweide des Alpsteins – Karrenfelder, Blöcke, Abbrüche, Kanten und Spitzen. Und das Ganze heute besonders reizend aufgebretzelt mit tanzenden Wolkenschleiern und frischem Schnee. Einfach nur grossartig!
Die Route – auch wenn nur rot-weiss markiert – wird hier nun ziemlich anspruchsvoll. Der Pfad führt, immer blockiger werdend, hinunter zum Fuss der Südwand der Silberplatten. Ein ziemlich unwegsames Gelände, das Geschick und manchmal die Hände erfordert. Derweilen höre ich Stimmen aus der Wand. Die gehören Kletterern, die ich später auf dem Gipfel treffen werde.
Mein Weg dorthin folgt zunächst wieder dem Wanderweg östlich der Wand hinauf, zweigt dann unmarkiert ab und führt steil auf einen schmalen Grasgrat. Jetzt sehe ich, warum die Silberplatten so heissen: An seiner Nordseite ist der Gipfel bestückt mit gewaltigen, silbergrauen Felsplatten – sehr schön! Eine gute Pfadspur führt unten um sie herum und anschliessend wenig schwierig auf den Gipfel, den ich gleichzeitig wie die beiden Kletterer erreiche.
Zu Dritt geniessen wir ein einzigartiges Spektakel der Wolken. Die Schleier sind in ständiger Bewegung, hüllen uns mal ein, öffnen sich dann wieder und streichen sanft um die Zacken des Grats. Eindrücklich!
Berührt von diesem Schauspiel setze ich die Tour fort, steige wieder ab auf den Wanderweg und ziele im Auf und Ab auf die Tierwees zu. Ich erinnere mich daran, wie ich beim letzten Mal im Nebel überraschend auf eine Herde Steinböcke stiess. Heute lässt sich keiner von ihnen blicken. Dafür zücke ich das iPhone, als ich die hippen Hühner der Tierweeshütte sehe, die sich auf der Gratkante tümmeln.
Dort bleibe ich heute allerdings nicht lange und steche gleich hinunter ins Tal. Damit beginnt das nächste Abenteuer. Der Pfad führt über ein mehrere hundert Meter breites Karrenfeld, das nicht spannender sein könnte. Tiefe Spalten, messerscharfe Kanten, zwischendurch ein Tümpelchen, ein Blümlein, ein Graben, ein Loch. Ein echtes Erlebnis.
Aber nicht nur das – der Aufschwung zum Säntis neben mir ist gespickt mit skurrilen Gesteinsfalten unterschiedlichster Ausprägung. Ich bleibe immer wieder stehen, um ein noch besseres Foto machen zu können. Einer Mitwanderin geht es gleich – ich laufe sie fast um, weil sie wie ich immer wieder unvermittelt stehen bleibt.
Je weiter ich nach unten komme, desto grüner wird es dann wieder. So erreiche ich schliesslich ein Alpsträsschen, das mich wieder ins Tal hinunterbringt. Doch auch da bleibe ich immer wieder stehen, um diese bemerkenswerten Launen der Natur nochmals bewundern zu können.
Ich bin froh, muss ich auf dem Strässchen noch etwas länger auslaufen, denn so kann ich meine euphorisierte Stimmung wieder in ruhigere Bahnen bringen. Zutiefst zufrieden erreiche ich die Laui-Hütte, die nun fest in der Hand von Erhards Geburtstagsgästen ist, zu denen ich mich gerne geselle.
Datum: 24. September 2023
Interaktiver Kartenabschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben
Kartenausschnitt Silberplatten
N.B. Leider gibt es keine öV zum PP Laui. Man kann die Silberplatten aber auch von der Schwägalpstrasse (Haltestelle Bernhalden oder Schiltmoos) aus besteigen und mit einem Gipfelbesuch des Säntis abrunden.