Der westlichste 3000er der Berner Alpen ist vergleichsweise einfach zu erreichen – die Glacier 3000-Bahn hilft. Wem die einfache Gletscher- und T4(-)-Route zum Gipfel zu kurz ist, kommt mit einer Umrundung des prägnanten Hausbergs doch auf eine zünftige Tour. Das Panorama ist grossartig.
Eigentlich wollte ich die Reuschbahn zur Oldenegg nehmen und damit auf dem tiefsten Punkt der Runde starten, aber die läuft im Sommer (trotz gegenteiliger Info auf der Website) nicht. Janu, so fahre ich weiter zum Col de Pillon und löse ein Retourbillet zur Mittelstation der Sex Rouge-Bahn. Die fährt gleich los und so durchbreche ich wenige Minuten später die morgentliche Nebeldecke und stehe bald auf dem Tête de Chamois (2500m) am Fuss des Oldenhorns. Ein alter Steinbock lässt sich von der Gondel nicht aus der Ruhe bringen. Ein schöner Anblick – leider ist mein iPhone noch im Rucksack…
Ich folge dem schuttigen Pfad, der kompromisslos steil zum Sex Rouge-Gletscher hochsteigt und denke dabei gerne an das Klettersteigabenteuer mit Lea zurück. Schon sechs Jahre ist das her! Und in diesen sechs Jahren ist mit dem Gletscher einiges passiert – dort wo man ihn damals auf der Felskante erreicht hat (siehe Link zum Beitrag vor sechs Jahren), ist jetzt ein kleiner See…. Es lohnt sich nicht, sich darüber aufzuregen. Es ist nun einmal so, aber weh tut’s trotzdem. An der Talstation des Sessellifts zur Bergstation Sex Rouge betrete ich den Gletscher. Ich passiere zuerst jenen Teil, der mit einer Plane abgedeckt ist, um im Winter das Skifahren noch zu ermöglichen. Er ist drei Meter höher als das ungeschützte Eis…
Ich folge zunächst der planierten „Wander-Autobahn“ über den Col de Tsanfleuron – bald wird hier der gleichnamige Gletscher vom Sex-Rouge Gletscher getrennt sein – in Richtung Quille du Diable, biege dann aber bald im 90-Grad-Winkel nach links ab und ziele auf das rund 1.5 Kilometer entfernte Oldensattel zu. Das Eis ist ruppig, überall fliesst Wasser, auch wenn es noch nicht einmal zehn Uhr morgens ist. Mit etwas Hüpfen behalte ich trockene Füsse und erreiche bald den Übergang ins Oldental. Von hier aus führt ein schuttiger Rücken wenig schwierig auf das Oldenhorn.
Der Pfad ist nicht markiert, aber gut sichtbar. Es steigt sich auch leicht. Offensichtlich haben sich ein paar Bergbegeisterte einen Spass daraus gemacht, über gewisse Passagen bequeme Treppenstufen einzubauen. Weiter oben wird es etwas anspruchsvoller und luftiger. Stahlseile helfen über die felsigen Passagen hinweg. Wenig später stehe ich auf dem Gipfel dieses freistehenden Dreitausenders, der aussichtsmässig keine Wünsche offenlässt.
Vor mir erstreckt sich zunächst einmal der Tsanfleurongletscher, zuoberst abgeschlossen von den Gipfeln der Diablerets. Darunter erahnt man die Derborence, in der Ferne reihen sich sämtliche Walliser Viertausender auf, heute leider etwas von den Wolken verdeckt. Im Westen Mont Blanc und Genfersee, im Norden die Fribourger Dolomiten, das Saanenland und im Westen die grossen Berner. Wunderschön!
Nach einem kleinen Picknick steige ich wieder zum Sattel ab und folge dann der „schwarzen Piste“ ins Oldentälli. Einen Moment zögere ich zwar, denn auch die nochmalige Überquerung des Gletschers hinunter zu den eisschliffenen Felsen, der Cabane de Perredar und dem nachfolgenden Abstieg zum Sanetschsee wäre reizvoll. Doch nein, ich will ja heute die Runde machen. Also ab in den Schutt…
Und von dem gibt es hier genug – mehr als genug. Mit den Skis im Winter geht es wesentlich einfacher als zu Fuss… nach rund 400Hm Kniebrechen flacht das Tal etwas ab und wird auf 2300m wieder grün. Ausser ein paar Murmeltieren ist hier niemand, auch wenn bis hierher ein Nordic Walking Trail ausgesteckt ist. Das Marketing-Team vom Glacier 3000 gibt sich alle Mühe – doch das Oldentälli bleibt ein Eldorado für den Winter. Bei der Oldenegg pausiere ich kurz auf der Terrasse der stillen Bergstation und bedaure nochmals kurz, dass ich die Tour nicht hier auf dem tiefsten Punkt beginnen konnte. Dann nehme ich den Wiederaufstieg zum Gemskopf unter die Füsse (man könnte hier natürlich auch ins Tal absteigen).
Ich zähle die Masten des Sesselliftes, der mich im Martisberg-Tälchen Gesellschaft leistet. Gerne denke ich daran, dass es sich hier in vier Monaten wieder locker hinunterschwingen lässt. Aufwärts geht es etwas länger… und warm ist es auch geworden! Wirklich spannend ist dieses letzte Teilstück nicht. Ich bin also nicht unglücklich, als ich schliesslich auf der Terrasse der SAC-Hütte (gleich unterhalb der Bahnstation) sitze und ein Bierchen trinken kann. Währenddessen blicke ich zum Gipfel des Oldenhorns hoch und danke ihm mit einem „Prost“, dass es mich heute so verwöhnt hat.
Tourdatum: 7. August 2022
Interaktive Karte mit Zeitangaben und Höhenprofil