Wer von der Engstligenalp nach Kandersteg wandert, tut gut daran, die Route über den Engstligengrat und das Schwarz Grätli zu wählen. Sie führt auf einer vergleichsweise kurzen Distanz an einigen besonders auffälligen Launen der Natur vorbei. Zwischendurch gibt es eine feine Heidelbeertorte in Schwarenbach.
Die Tour am letzten Tag dieser Transversale-Woche soll kurz sein. Gestern war anstrengend, heute wollen wir gemütlich „auslaufen“. Ganz ohne schwitzen geht das natürlich nicht. Knapp 700 Höhenmeter Steigarbeit fordert der Artelegrat von uns um den anvisierten Enschligengrat zu erreichen. Das geht zunächst gemächlich von statten, der gutmütige Grasrücken ermöglicht zur rechten Hand wunderbare Blicke über die weite Engstligenalp zum Wildstrubel, links gehen die Tiefblicke nach Adelboden hinunter.
Am Ende des Grats thront das Tschingellochtighorn. Besondere Berge verlangen nach besonderen Namen. Das Ding sieht aus wie ein aus dem Boden geschlüpfter Pfeilköcher. Fünf Spitzen ragen in die Höhe. Wie kann so etwas nur entstehen? War Robin Hood mal hier?
Weiter oben wird es schuttig und das Gelände steilt kräftig auf. Die Stöcke sind hilfreich. Beim südseitigen Umgehen des Tschingellochtighorns wird es sogar etwas abschüssig, aber der Pfad ist gut. Als wir den Engstligengrat erreichen, sehen wir nur noch einen spitzigen Pfeiler. Ein Fotomotiv par Excellence und für mich ein geologisches Wunderding.
Wir folgen dem breiten Gratrücken bis zur ersten Abzweigung, die uns ins Tälli hinunterführt. Der gleichnamige Gletscher ist bis auf einen kleinen Fleck neben dem Roten Totz verschwunden, dafür hat er eine wohlgeformte, geschliffene Landschaft mit einem See hinterlassen. Darunter wird es bald steinig-grün und blumenreich – sehr schön.
Wir durchqueren das Tälli und zweigen gleich wieder zum Schwarz Grätli ab. Der steinige Pfad dorthin steigt direkt unter einer senkrechten Wand wieder rund 100m hoch. Zuletzt hilft ein Drahtseil die Scheu vor dem abschüssigen Gelände zu nehmen.
Auf dem Schwarz Grätli öffnet sich der Blick zum Daubensee und zum Gemmipass. Nun führt uns der Pfad durch steiles Wiesland ins Tal. Wir begegnen einer Herde putziger Schwarznasenschafe und sitzen gut drei Stunden nach Wanderbeginn auf der gutbesetzten Terrasse des Berghotels Schwarenbach. Nun muss ein Stück Heidelbeerkuchen her, den uns Wirt Norbert von der Engstligenalp wärmstens empfohlen hat. Und tatsächlich, er ist so fein wie versprochen!
Mit vollen Bäuchen gwaggeln wir auf der Gemmi-Wanderautobahn hinunter zur Spittelmatte. Schmunzelnd denke ich an die Tour mit Vater Hans vor fast 50 Jahren zurück. Der Knirps reklamierte damals, dass dieser Weg zu wenig abenteuerlich sei. Seither war ich nie mehr hier. Heute freue ich mich über die besonderen Reize dieses breiten Hochtals am Fuss des Altels. Andere Zeiten, andere Augen. Es ist wie mit dem Wein – erst mit dem steigenden Alter entwickelt sich der volle Genuss.
Nach einer letzten, kurzen Gegensteigung erreichen wir die Sunnbühl. Hier nehmen wir die Gondel hinunter nach Kandersteg und schlendern schliesslich gemütlich zum Bahnhof. Eine tolle Woche war das – und mein rechtes Auge schielt bereits wehmütig auf die Schlucht zum Gasteretal, wo ich die Transversale bald fortsetzen werde.
Tourdatum: 13. August 2021
Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben
Hey edwin, danke dir für deine tollen wanderberichte. speziell die schönen bilder lassen mein wanderherz höher schlagen. hoffe, dass es mir nächstes jahr auch wieder vermehrt möglich sein wird zu wandern. 🙏 gesundheit ist das höchste gut. bleib gesund und häb dir sorg!🤗
…dem kann ich nur zustimmen … LG E
Toller Bericht und herrliche Fotos – danke, Edwin