Auf dem Col de Pillon beginnt die vielbesungene Wanderung über den blumenreichen Col de Voré zum „kanadischen“ Arnensee. Für die weite Anreise aus dem Unterland scheint die Tour etwas kurz. Doch lässt sie sich beispielsweise mit einer Pirouette um La Palette und einen Schlenker auf die Floriette etwas alpiner ausmalen und anreichern. Im Frühling ein Leckerbissen. Die Tour wird hier – verhältnisbedingt – in zwei Teilen beschrieben.
Besonders einladend beginnt die Wanderung nicht gerade. Der Start befindet sich im kiesigen Hinterhof der wuchtigen Talstation der Glacier-3000-Bahn. Ein unscheinbarer Pfad steigt gleich steil über viele Wurzeln durch den Nadelwald hoch. Doch schon bald öffnet sich das Grün, und blumenreiche Weiden breiten sich aus. Kaum sind die Beine richtig warm gelaufen stehen wir schon am Ufer des pittoresken Lac de Rétaud. Das charmante Beizli ist zu Simones Leidwesen noch zu.
Auf dem Weg zum Col de Voré biegen wir gleich links ab und folgen einer Spur zurück zum Wanderweg in Richtung des 2017 stillgelegten Isenau-Skigebiets von Les Diablerets. Die einsamen Masten der betagten Tellerlifte stehen noch da wie Mahnmale an eine schneereichere und skiverrückte Zeit. Wann werden sie wohl abgeräumt? Oder träumen die Einheimischen immer noch von einem Revival, das mit der Lancierung einer eigenen Währung – der Isenau-Münze – gepusht werden sollte?
Wir geniessen indessen den Blick zum Dents du Midi (eigentlich Plural) und steigen genussvoll über Restschneefelder und Wiesen mit Millionen weisser und violetter Krokusse auf den Col des Andérets. Von hier aus könnten wir zum Col de Voré absteigen, um wieder zur offiziellen Arnensee-Route zu gelangen. Aber das lassen wir heute schön sein, denn in den nordgerichteten Steilhängen liegt noch zu viel Schnee.
Stattdessen steigen wir weiter hoch und folgen dem vollbesonnten Südostgrat des Arnenhorns bis zu seinem neckischen Vorgipfel, Floriette genannt. Wir sind nicht alleine – eine grasende Gämsendame steigt uns voraus, immer wieder argwöhnisch auf die Zweibeiner schauend, die ihr folgen. Sie merkt zwar, dass wir viel langsamer sind als sie, und so lässt sie uns vorerst gewähren. Dann ist sie plötzlich verschwunden.
Auf der Floriette gibt es ein Picknick, mit Blick auf die mächtigen Wächten, die in den steilen Hängen unter uns aufragen – und immer wieder in Teilen abbrechen und ins Tal kullern. In der Ferne lockt die Sicht über den Arnensee hinweg zur Berner Oberländer Gipfelprominenz mit Eiger, Mönch und Jungfrau. Es ist warm und windstill, die Bergwelt meint es gut mit uns. Zutiefst zufrieden steigen wir später über dieselbe Route wieder zum Lac de Rétaud ab.
Die Fortsetzung:
Drei Schmelzwochen später (30. Mai) vollenden wir die Tour. Nun geht es beim Lac de Rétaud direkt weiter zum Col de Voré, der sich gerade mal 400 Meter über dem Col de Pillon erhebt. Viele Höhenmeter sind das also nicht, entsprechend stark frequentiert ist diese Route. Die südexponierten Hänge strotzen vor Blumen. Was für ein Frühlingsfest!
Auf der Nordseite des Passes ist der Schnee inzwischen weitgehend geschmolzen und das kleine, namenlose Seelein aufgetaut, umrahmt von Krokussen und Soldanellen. Tausende Kaulquappen bevölkern das Nass, auch paarungswillige Enten fühlen sich hier wohl. Wir schauen dem Treiben gleichermassen belustigt wie respektvoll zu, bevor wir durch die tundra-ähnliche Landschaft zum gemächlichen Abstieg in Richtung Arnensee aufbrechen.
Bald grüsst der übervolle Stausee aus der Ferne, umrahmt von seinem dichten Wald. „Kanadisch“ wie Prospekte schwärmen? Naja, „schweizerisch“ reicht uns völlig.
Auf der Alp Seeberg hat die Bauernfamilie begonnen, Haus und Hof für den Bergsommer vorzubereiten. In wenigen Tagen werden die Kuhglocken das leise Rufen des Kuckucks wohl überstimmen. Und damit auch die Kuhfladen und die Fliegen Einzug halten…
Wenig später stehen wir am idyllischen Arnensee und schütteln etwas ungläubig den Kopf – vor sechs Wochen (am 18. April) herrschten hier noch Eis und meterhohe Schneemauern, jetzt blüht alles um die Wette. Nur der Fischer ist immer noch der Gleiche – oder meine ich das nur?
Wir folgen dem (schöneren) östlichen Uferweg und streifen dabei durch den urwaldartigen Wald. Schöne Bilder, riechen tut es auch gut. Die Arnensee-Beiz am See-Ende lassen wir für einmal links liegen, denn es zieht zu, und der Wanderbus nach Feutersoey fährt noch nicht (oder etwa gar nicht mehr?).
Der lange Weg ins Tal gibt nicht so viel her. Aber das mag auch daran liegen, dass es bald tropft und es vorher so übermässig schön war. Doch mit intensivem Plaudern geht der Gwaggel schnell vorbei, und bald freuen wir uns über die prachtvollen Saanenländer Chalets in Feutersoey.
Tourdatum: 9. Mai/30. Mai 2020
Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben
Wir scheinen immer etwa an ähnlichen Orten zu sein. La Palette ist wirklich lohnend, siehe http://www.kley.ch , Tour vom 24.05.2020