Die Wintersaison hat begonnen. Noch ist es allerdings zu früh für die Tourenskis. So erkunden wir heute mit den Schneeschuhen die sanften Hänge der Alp Tamons im Sarganserland. Wir steigen auf den Hühnerkopf, wo uns der heftige Föhn die Zähne des Winters zeigt.
Nach einem Tee im charmefreien Bahnhofsbuffet in Sargans, das mir trotzdem in guter Erinnerung bleibt, treffe ich Sevi. Wir kurven das schmale Strässchen an der ostlichen Flanke des Weisstannentals nach Vermol hinauf, wo wir neben dem geschlossenen „Alpenrösli“ parkieren. Die wenigen Hochnebelschwaden liegen unter uns, der Himmel ist fast blau. Die Schneegrenze ist nur wenige Meter über uns.
Die Schneeschuhe bleiben vorläufig im Rucksack, das Weiss ist nur wenige Zentimeter dick, pulvrig und gut begehbar. Es folgt ein rund einstündiger Aufstieg über die mässig steilen Lichtungen des stark bewaldeten Hangs. Bestimmt eine schöne, sichere Abfahrtsroute! Noch schöner ist die Sicht auf die gegenüberliegende Talseite. Dort dominiert die Alvier-Kette, später gesellen sich die östlichen Churfirsten dazu.
Ich erinnere mich mit schmunzelnder Wehmut daran, wie wir von hier aus zu Beginn der 1990er-Jahre mit den heute längst verschrotteten 35mm-Artillerie-Kanonen des Art Rgt 6 über das Tal hinweg auf den Alvier geschossen haben. Meine Motorfahrer lagen dabei auf der sonnigen Alpwiese neben den getarnten 2DMs und schauten ihren Kanonnier-Kollegen amüsiert bei der schweren Arbeit zu.
Sevi und ich erreichen derweilen friedlich durch den Schnee stapfend die flacheren und offenen Geländekammern der Alp Tamons. Bei den verlassenen Alphütten der Vorsäss öffnet sich ein schöner Blick auf den Pizol. Das ermuntert zu einer kurzen Pause. Und weil die Schneedecke jetzt doch dicker wird, werden auch gleich die Schneeschuhen montiert.
Wir folgen weiterhin dem markierten Wanderweg bis zur Gratkante und steigen dieser entlang hoch bis zu Punkt 1932. Hier lassen wir die Schneeschuhe zurück, denn der Grat ist nun dank Sonne und Wind fast schneefrei. Wind, ja, denn jetzt kommt der Föhn. Und wie! Noch vor Minuten in unseren T-Shirts schwitzend, ändern die Bedingungen abrupt. Bald setzt Bibbern ein und alle vorhandenen Kleider finden rasch den Weg aus dem Rucksack um den Körper.
Der Grat wird bald zum gemächlichen Rücken, wir sehen unser Ziel und staunen über die Föhnmauern, die sich um die Gipfel im Süden walzen. Eine ziemlich wilde Wetterküche. Da es sich leicht läuft, geniessen wir den Aufstieg und bald stehen wir auf dem kleinen Türmchen namens Hüeneri, wie er auf dem Gipfelkreuz genannt wird. Ganz einfach – aber mit lohnenswerter Aussicht! Im Sommer wohl weniger spektakulär als jetzt mit dem Schneehut.
Lange bleiben wir allerdings nicht hier oben. Väterchen Föhn bläst nun gnadenlos, mein Salami-Bretzel ist bald zu kalt zum Reinbeissen. Sevi macht Panoramafotos und fängt sich dabei prompt einen „Chuenagel“ (leichte Erfrierung) ein.
Wir kehren über diesselbe Route zurück, nur kürzen wir dabei immer wieder etwas ab, denn mit den Schneeschuhen lässt es sich wunderbar freestyle durchs Gelände ziehen. Es macht Spass, auch wenn hin und wieder ein Taucher in den Schnee in Kauf genommen werden muss.
Als wir wieder beim Auto ankommen, sind wir zufrieden. Der Föhn hat nachgelassen, dafür hat uns der Hochnebel eingeholt. November eben.
Tourdatum: 21. November 2019
Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben