Das Barrhorn ist das Ziel – aber etwas weit für eine Tagestour aus Zürich. Darum wähle ich als Hub die Topalihütte. Ich erreiche sie über die Direttissima im unendlich steilen Mattertal. Das Spiel der vier Elemente (Wasser, Feuer, Erde und Luft) machen den Halbtag zu einem Erlebnis, das einen Blogeintrag verdient.
Zaniglas? Ich bin etwas ratlos, als Walter mir schreibt, am besten würde ich von Zaniglas aus zur Topalihütte starten. Google hilft – gemeint ist St. Niklaus im Mattertal. Wikipedia erzählt vom traditionellen Bergführerzentrum (inkl . Museum), von einflussreichen Bischöfen, dem grössten Zwiebelkirchturm des Oberwallis, und und und.
Als ich aus dem Zug steige, interessiert mich jedoch primär eine alte Suone, denn hier beginnt der Hüttenweg zur Topalihütte. Es ist 13 Uhr, als ich in der brütenden Sonne loswatschle. „Langsam, Edwin, langsam“, rede ich mir ein. Es gäbe ja noch die Route über die Wasilücke, die beginnt fast 1000m höher bei der Seilbahn in Jungen. Aber nein, ich will die Direttissima – 1650 Höhenmeter auf einer Wegstrecke von nur gerade 8 km, bzw. 1500 auf den letzten fünf.
Die offene Suone ist schnell gefunden, allerdings ist sie trocken. Wichtiger sind die Bäume darüber, im Wald läuft es sich spürbar kühler. Auch nach der Abzweigung zur Hütte bleibt der Schatten. Zum Glück. Der Weg ist mörderisch steil, bis 2000m schützt das dichte Grün fast durchgehend vor der Hitze.
Bis zur Baumgrenze überschreite ich den wilden Blattbach zweimal. Er prägt die Tour. Fünfmal quere ich ihn insgesamt, inklusive zwei seiner Nebengewässer. Dies meist über eines dieser klapprigen Aluminiumgewerke, die das tosende, kiesreiche Schmelzwasser des Stelligletschers überspannen.
Bei Unnerbächi steht das einzige Hüttchen auf der Tour. Eine einsame Schafdame schaut neugierig hervor und blökt etwas. Dann folgt sie mir, offenbar hat sie ihre Herde verloren und sucht Anschluss. Ich streichle sanft über ihre Nase und bitte sie, doch einfach zu warten, ihre Kumpanen kämen sicher wieder. Das scheint sie zufriedenzustellen, sie setzt das Grasen fort und ich steige alleine weiter.
Auf 2400m Höhe folgt dem Krampf dann etwas Abwechslung: Ich erreiche einen flachen Boden und mache kurz Pause. Von hier sieht man wunderbar an die schroffen, senkrechten Ostwände der Barrhörner und des Stellihorns, sie präsentieren sich wie eine Kathedrale.
Zur Hütte am Fuss des Distelgrats fehlt nun nicht mehr viel. Nach der grünen Matte folgen wieder Steine, viele Steine. Es kommt die letzte Überschreitung des Blattbachs. Die provisorische Verankerung verdeutlicht, dass die Brücke wohl jedes Jahr neu gelegt werden muss, was Hüttenwart Oliver mir später bestätigt.
Die letzten Blöcke werden überklommen, bald sitze ich auf der Terrasse mit einem Glas Bier in der Hand. Keine zehn Gäste sind da, die Hütte ist nur zu einem Viertel voll, ein Privileg an einem Freitagabend. Mir ist es recht, auch wenn ich dem Hüttenteam mehr Betrieb gegönnt hätte.
Umso gemütlicher wird der rege Austausch mit dem Seeländer Hüttenteam und den Berggästen. Ich lerne viel über die Schwierigkeiten der Wasserversorgung, die Instandhaltung der Pfade und die Folgen des Klimawandels (hier insbesondere Steinschlag). Aber auch, dass Herr Topali ein reicher Engländer war, der die Hütte posthum für seinen am Monte Rosa verunglückten Sohn spendete. Und eine junge Freiburgerin gibt mir Tipps für Lea, die dort im September ihr Praktikum beginnt.
Nach dem Nachtessen sitze ich noch eine Weile draussen mit einem Glas Wein in der Hand und lasse die Wunder des Alpenglühens auf mich einwirken. Ich schlafe zwar nicht gerne in SAC-Hütten, aber dieses Spektakel von Feuer, Wasser, Erde und Luft muss man sich einfach mindestens einmal pro Jahr hereinziehen!
Tourdatum: 30. August 2019
Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben
Ein ‚Diretissima‘ von Zaniglas fuehrt wohl eher ueber Bode und Walkerschmatt 😉
Du hast recht Jan. Aber weil die Route nicht mehr markiert ist (von unten), habe ich sie nicht erwähnt.
Wie immer super schöne Fotos! Man hält’s fast nicht aus im Büro. 🙂