Schwarze Blöcke am Sasso Luzzone

„Steinbockweg“ heisst die Route vom Lukmanierpass über den Passo di Grana Negra ins Val di Campo und über den Sasso Luzzone ins Val Camadra. Das verheisst Einiges. Steine sehen wir viele, Böcke indes keine. Es ist einsam in diesem Teil der Schweiz. Aber auch diese lange Etappe der Transversale bietet Einzigartiges: viel Edelweiss, schwarze Brocken, einen tiefblauen See und einen aufregenden Blockgrat.

Nach einem für Tessiner Verhältnisse reichhaltigen Frühstück im Centro Pro Natura Lucomagno (empfehlenswert!) watscheln wir gegen acht Uhr morgens los. Es erwartet uns ein langer Tag, noch sind wir nicht sicher, ob wir die gesamte Strecke schaffen. Andere machen ihn in zwei Tagen, übernachten unterwegs in der Capanna Bovarina oder steigen durch das Val di Campo direkt nach Campo Blenio ab.

Wir geniessen zunächst die frische Luft und die wilde Schönheit des Lukmaniergebiets. Es ist kühl, aber das ist bestens angesichts der steilen Höhenmeter, die wir durch das Vallone di Samprou zum Passo di Gana Negra überwinden müssen. Mit den ersten Sonnenstrahlen im Gesicht erreichen wir auf ca. 2100m den „Edelweiss-Corner“, ein riesiges Feld voll mit diesen hübschen Starblümchen, die Chris seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat. Ein erstes Highlight.

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Blick zurück ins Lukmaniergebiet zum Selvasecca, rechts oben der Pizzo del Sole mit dem Übergang ins Val Piora

Weiter oben flacht es ab, und wir finden uns bald umzingelt von 121 Rindern auf einer Alp. Drei Jahrgänge seien das, meine ich in meinem halsbrecherischen Italienisch vom Hirten in Erfahrung zu bringen. Die Ältesten würden bald geschlachtet, sagt der bärtige Mann etwas wehmütig.

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Dann erreichen wir den Pass der Schwarzen Brocken (Gana Negra), den ersten Kulminationspunkt des Tages. Und tatsächlich, der Übergang verdient seinen Namen. Das Tal ist übersät mit schwarzen Brocken, die hier vor langer Zeit von den Flanken des Pizzo del Corvo hinuntergedonnert sind und heute einen eindrücklichen Kontrast zu den grünen Weiden bilden. Wir staunen und wandern in einem angenehmen Sinkwinkel durch das Labyrinth hinunter zur Alpe Boverina.

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Gana Negra
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Der Brocksensee im Val di Campo
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Weiter unten ist es lieblicher: Alpe Boverina

Hier heisst es dann einen Entscheid zu treffen. Weiter runter ins Tal oder wieder in den Steigmodus wechseln und hoch zum Lago Retico? Chris gibt grünes Licht, und so machen wir uns an den steilen, etwas wenig inspirierenden Aufstieg über die grasig, später felsige Südflanke in Richtung Passo Cristallina. Es ist Mittag und ziemlich warm geworden, der Schweiss rinnt den Nacken hinunter und der Magen knurrt, aber die Vorfreude auf den schön gelegenen See spornt an. Und tatsächlich – es erwartet uns mehr als ich gedacht hatte! Ein perfekter Picknickplatz. Der Blick über das dunkle Nass inmitten der Mondlandschaft zum weissen Rheinwaldhorn ist eine Wucht!

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Lago Retico

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Wir essen genussvoll unsere Sandwiches und machen ein kurzes Mittagsnickerchen an der warmen Sonne. Doch dann warnt die Uhr und mahnt zum Aufbruch. Noch liegen ein paar Hundert Höhenmeter und mindestens drei Stunden Weg vor uns. Auf einem gutmütigen Rücken steigen wir zunächst zum Verzaira-Gipfelchen hoch, danach tauchen wir in die steinige Flanken des Sasso Luzzone ein. Es wird blockiger und zunehmend weglos, aber die Route ist gut markiert. Bis auf den Grat wird es dennoch anstrengend, und die Beine beginnen müde zu werden. Ein kurzer Schwatz mit zwei uns entgegenkommenden Damen lockert auf. Wenig später stehe ich nach ein paar kräftigen Armgriffen auf dem zerklüfteten Blockgrat und damit auf dem zweiten Kulminationspunkt des Tages. Grossartig!

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Auf dem Blockgrat des Sasso Luzzone

Chris findet es zunächst nicht so lustig, als er die kommende Blockturnerei erkennt. Doch ein paar gut hörbare Seufzer und einen Schluck Wasser später senkt sich sein Adrenalinspiegel wieder, und wir kraxeln über die Blöcke hinunter zum Pass d’Uffiern. Die heikelsten Stellen sind gut mit neuen Stahlseilen gesichert. Für mich fast zu schnell wird das Kraxel- wieder zum Laufgelände. Bald erreichen wir den Pass mit seinen zwei hübschen Seelein, pausieren nochmals kurz und rufen dann das Olivoner Wandertaxi an: „Ancora una ora Mirko, dann kannst Du uns am Pian Garett abholen!“

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Die letzten 600m Abstieg sind steil und zunehmend mühevoll, aber das Ziel ist vor Augen. Beim Blick ins Talende des Val Camadra erinnern wir uns gerne an die schöne Tour, die uns vor zwei Wochen von hier zur Greina-Ebene führte. Dann stehen wir schon auf dem verlassenen Parkplatz des planierten Geländes, das einst als Kieslieferant für den Bau des Luzzone-Stausees diente. Schuhe aus, Beine strecken, dann kurvt Mirko schon das Strässlein hoch, und unsere zwei langen Tessiner Wandertage kommen zu einem Ende. Zum Wiedersehen mit den Tessiner(innen) gehört dann auch das Bier im Hotel Posta in Olivone, aber das ist eine andere Geschichte.

Tourdatum: 11. September 2018

Kartenausschnitt Sasso di Luzzone (pdf)

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben

N.B. Zum Pian Garett fährt im Sommer (bis Ende August) 2x täglich ein Wanderbus von Olivone. Sonst gibt es Mirkos Alpentaxi: 079 444 07 12.

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Pian Garett, der Blick hinunter ins Tal zum Sosto. Dank Staudamm mit öV erreichbar

2 Kommentare

  1. Erfreulich, wie weit Du diesen Sommer mit Deinem Projekt gekommen bist. Da bist Du vermutlich selber überrascht. Aber mit diesem Wetter konnte nun wirklich niemand rechnen. Wann machst Du Winterpause?

  2. Pingback: Edwin wandert

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