Passgeschichten von Splügen nach Hinterrhein 1612m ü. M.

Heute durchwandern wir den Rheinwald, eine der kürzesten, einfachsten und flachsten Etappen meiner Ost-West-Transversale. Das bietet Gelegenheit, sich etwas mit der Geschichte der Walser, der Säumer und italienischen Strassen-Investments in der Schweiz zu beschäftigen. Wenn nur der Lärm der Autostrasse nicht wäre!

Jan Lukas und ich übernachten nach der strengen Tour von gestern im historischen Bodenhaus in Splügen. Das mächtige quadratische Gebäude dient seit 200 Jahren als Gasthaus, zunächst für Reisende von Nord nach Süd. Das Publikum hat sich verändert. Wo einst Königin Victoria, Kaiser Napoleon der III. und Albert Einstein nächtigten, die das Posthotel zu einem der traditionsreichsten Gasthäuser Graubündens machten, sind heute vor allem Schweizer Wander- und Bike-Touristen jeden Alters zu finden.

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Erste Sonnenstrahlen in Splügen

Wir durchwandern das mit dem Wakker-Preis ausgezeichneten Passdorf und werfen einen lohnenden Blick in das kleine Talmuseum. Es gäbe viel zu schreiben, aber dies ist ja ein Wanderblog. Darum folgen wir bald dem weiss-rot-weissen Wanderweg nach Medels, der leicht steigend auf der besonnten, nördlichen Talseite durch einen wunderbar duftenden Lärchenwald führt. Wir begegnen ein paar fündig gewordene Pilzer, sonst sind wir alleine.

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Splügen

Der Weiler Medels ist hübsch, aber rasch durchschritten. Ein Hund bellt, sonst ist es ruhig. Die Kapelle ausserhalb des Dorfes zieht etwas Aufmerksamkeit auf sich, aber mein Blick richtet sich viel mehr auf das elegante Einshorn dahinter, ein Muss für meine ToDo-Liste! Wir laufen nun über die Wiesen zum Talboden, wo wir die laute Autostrasse unter- und den Rhein überqueren und in den Rheinwald treten. Wir folgen dem Fluss, der gemäss Infotafeln renaturiert respektive revitalisiert werden soll. „Schöna Bode“ heisst eine grosse Lichtung, wo zahlreiche Feuerstellen um Besucher buhlen. Allerdings nicht zum Bräteln, denn feuern sei bis auf Weiteres aufgrund der Trockenheit verboten, wie uns Warnschilder ermahnen.

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Die Kapelle von Medels und das prägnante Einshorn

Wenig später sehen wir Nufenen vor uns und entscheiden, dem Dorf einen Besuch abzustatten. Ich habe gehört, dass die Käser hier besonders innovativ seien, doch die Käserei ist heute zu. Auch die Häuser sind schön, aber der Lärm der Strasse ist abtörnend. Dafür entdecke ich hier einen Strassenabschnitt der alten Passtrasse, der wieder neu mit Pflastersteinen belegt wurde, mit roten Steinen als Mittellinie. Wir pausieren und ich surfe im Web, wo mir erklärt wird, dass der Graf von Piemont im 19. Jahrhundert eine halbe Million Franken gespendet habe, um die Bernardinostrasse richtig auszubauen. Entsprechend hiess die Passstrasse hier lange „die italienische Strasse“. Tempi passati. Ich schmunzle beim Gedanken, dass wir Schweizer heute unsererseits den Ausbau der italienischen Eisenbahnstrecken subventionieren müssen, damit sich die NEAT-Investitionen einmal wirklich auszahlen.

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Am jungen Rhein beim „Schöna Bode“ vor Nufenen
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Nufenen

Wir kehren zurück an den Ufer des Rheins, wo der Weg kurz schmal und etwas ausgesetzt ist. Danach geht es gutmütig über Wiesen weiter. Wir schauen einem einsamen Fischer zu und freuen uns, dass die Autostrasse für einen Kilometer in einen Tunnel verschwunden ist und wir nur das Gurgeln des Wassers hören. Nach einem kurzen Waldstück erreichen wir den Kapellbach, der die Alp Cadriola entwässert und hier in die Tiefe stürzt. Auch das ist ein schöner Picknickplatz für feuchtere Sommer.

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Der Kapellbachfall

Ich diskutiere mit Jan Lukas über die Walser, die dieses Tal einst weitgehend entwaldet und besiedelt haben. Jetzt versteht er auch, warum alle Flur- und Bergnamen deutsch sind, Rätoromanisch gibt es hier nicht. Wenig später erreichen wir Hinterrhein, auf dessen Besichtigung wir verzichten. Dafür winkt jetzt die Überschreitung der alten Landbrücke (Baujahr 1693), ein sichtbarer Rest der jahrhundertealten Säumerstrasse. Anstatt Maultieren und Pferden begegnen wir über Hundert Ziegen, die auf dem Weg zur Alp sind.

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Die Alte Landbrugg
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Hier kommen schon lange keine Säumer mehr vorbei

Nun folgt nur noch eine kurzes Flachstück, das uns an ein kleines Flusskraftwerk vorbeiführt. Dann stehen wir am Nordportal des San Bernardino-Tunnels, von wo aus das Postauto uns zurück nach Splügen bringt.

Tourdatum: 22. August 2018

Kartenausschnitt Splügen-Hinterrhein (pdf)

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben

 

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