Heute ist die jährliche Jura-Etappe dran. Von Grenchen nach Solothurn, über Wandflue, Stellflue, Hasenmatt und Weissenstein. Und mit dem Zusatzfeature Verenaschlucht. Auch wenn Jurawandern nicht meine erste Priorität geniesst: Diese Tour hat mehr zu bieten, als ich erwartet habe.
Grenchen ist nicht gerade eine quicklebendige Weltstadt. Frühmorgens sind die Geschäfte noch verriegelt, wenige Menschen bewegen sich auf den Strassen. Das Gros der Häuser wirkt heruntergekommen, Geschäftsliegenschaften stehen zum Verkauf. Trotzdem entdecke ich überall interessante Zeitzeugen des Unternehmertums. Eine Fabrikantenvilla, seltene Baumarten, Skulpturen, dann wieder Thairestaurants und Pizzabuden. Die Wanderroute zum Ober-Grenchenberg ist kaum beschildert, aber das ändert sich zum Besseren, als ich den Waldrand erreiche.
Der Aufstieg durch den Wald ist kein Highlight, aber die Höhenmeter schwinden schnell. Nach einer Stunde stehe ich vor der Bergwirtschaft auf dem Bettlachberg, just in diesem Moment öffnet die freundliche Wirtin die Türe und bitte mich herein. Sie hätten es nicht einfach, meint sie. Im Winter fielen die Besuchermagnete „Nebelmeer“ und „Schlittelweg“ immer häufiger aus, die Garanten für volle Gaststuben. Nun würde auch das alte Pistengerät, dessen eine Raupe zerrisen sei, nach Bulgarien exportiert. Am Herbst würden sie das Wirten aufgeben. Schade, der Duft eines frischgebackenen Apfelkuchens durchdringt annehm die Stube, auch die Sicht ins Mittelland ist umwerfend.
Ich will nun aber zur Wandflue, die sich oberhalp des Bettlachbergs erstreckt. Sie scheint unüberwindbar, aber ein Pfad führt schnurstracks zum Ängloch. Eine Laune der Natur, die, wie der Name sagt, einen überraschenden Durchstieg zum darüberliegenden Plateau erlaubt. Wow – und das ist cool da oben!
Neben mir die fast senkrechte, mehrere hundert Meter lange Wand. Dahinter die flache Alp Obergrenchenberg mit Bauernhof und Kühen, sie könnte nicht friedlicher sein. Ich folge dem nicht markierten Weg entlang der Gratkante und bleibe immer wieder stehen, um Fotos von diesem Phänomen zu machen. Auch dem Segelflugzeug gefällt es, der unzählige Runden um die Wandfluh dreht.
Dann senkt sich das Gelände ein wenig ab (100Hm). Ein schmaler, leicht ausgesetzter, teilweise kettengesicherter Pfad führt hinunter zur Küferegg. Dann wieder hoch zur „Stallflue“. Sie ist wenig spektakulär als die Wandflue. Das insbesondere deshalb, weil sie nicht gekrümmt und deshalb von oben kaum einsehbar ist. Dafür kann ich mich hier wunderbar ins Gras legen und ein paar Dutzend Emails erledigen. Heute lässt mich die Arbeit nicht in Ruhe laufen. Tant pis, aber besser hier als im Büro.
Das nächste „Hindernis“ (100Hm runter, 150Hm hinauf) ist die felsige Hasenmatt, der höchste Punkt des Kantons Solothurn. Ein beliebtes Ziel von Schulreisen, aber da heute ein katholischer Feiertag ist, bleibe ich davon verschont. Der Gipfel ist sogar ganz menschenleer, sodass ich hier spontan nochmals eine längere (Arbeits-)Pause einlege. Schön die Weitsicht über die Jurakette und zu den Alpen, die sich heute fast gänzlich in Gewitterwolken verstecken.
Das Teilstück Hasenmatt-Weissenstein ist ein „Non-Event“. Der Waldpfad mündet in ein Kiessträsschen, das ohne viel Aussicht zu gewähren zum Restaurant Weissenstein und der Gondelbahn führt, der Schlusspunkt meiner letztjährigen Juraetappe. Um die neue Bahn etwas zu sponsern, kaufe ich ein Ticket bis zur Mittelstation und spare damit 250 Meter Abstieg durch den Wald. Beim Nesselboden tauche ich dann aber gerne in das Holz, denn der Abstieg durch die „Pächflue“ verspricht lohnenswert zu werden. Und tatsächlich, der kunstvoll aus dem Berg gehauene Pfad führt, bietet ein schönes Wandererlebnis. Er führt entlang einer Schlucht und moosüberwachsenen Felsen direttisma hinunter nach Oberrüttenen.
Hier ist die Zivilisation zwar schon wieder erreicht, aber noch wartet ein weiterer Leckerbissen auf mich. Ich zweige nämlich am Dorfende in die Verenaschlucht ein und stehe bald vor der hübschen Einsiedelei, die sich vor vielen Jahren unter den Steilwänden der Schlucht eingenistet hat. Ob da wohl jemand etwas zu verstecken hatte? Oder suchten die Gründer nur einen geschützten Ort? Sehr friedlich hier. Auch der Pfad entlang des Baches ist eine wahre Augenweide.
Für meinen Geschmack viel zu früh erreiche ich den Waldrand und nehme nun die letzten Meter zur Ambassadorenstadt unter die Füsse. Am Treppenaufgang der wunderschönen St. Ursen-Kathedrale gönne ich mir ein ersehntes Bier.
Tourdatum: 31. Mai 2018
Sali Edwin. Grenchen-Solothurn ist zweifellos ein Highlight des Jura-Höhenwegs, der bekanntlich nicht überall gleich lohnend ist. Und Du hast das toll bebildert! Beste Grüsse, Gabriel
Deine Beschreibung war die Vorlage…