Oft lohnt es sich, auf einer Schneeschuhtour auch ein paar Halbsteigeisen einzupacken. Ist die Schneedecke fest gefroren, erlauben sie einen raschen und kräfteschonenden Aufstieg – ohne dieses typische Pinguin-Gewatschel. So geschehen bei der heutigen Tour von Maria Rickenbach zum Brisenhaus und von dort auf den Glattgrat. Da blieb am Schluss auch noch genug Zeit für eine bemerkenswerte Beiz.
Die majestätische Stille des Klosterweilers ob Niederrickenbach ergreift mich, sobald ich die Bahnkabine verlasse. Die Benediktinerinnen müssen das auch gespürt haben, als sie hier oben vor 160 Jahren ihr Stift gründeten. Der Alpenkräutertee aus dem Klostergarten wurde 2017 nicht umsonst als „Naturerlebnis“ gekürt. Ich kehre kurz in das Pilgerhaus ein, um mich für meine Tour zu stärken und die Würde des Ortes zu geniessen. Serviert werden Nussgipfel, die soeben aus dem Ofen gekommen sind. Weltklasse. Und bedient werde ich auch mehr als nett. Ich erledige noch ein paar Emails und wäre fast sitzengeblieben. Doch dann streichelt ein sanfter Sonnenstrahl mein Gesicht – der Berg ruft. Ich breche auf.
Die Route folgt zunächst einem Strässchen, das bis zur Alp Ahorn auf 1300m führt. Hier liegt endlich der erste Schnee. Regen, Wärme und Föhn scheinen in den letzten Wochen ganze Arbeit geleistet zu haben! Sobald der Bueholzbach überschritten wird, und damit die Nordhänge des Brisens erreicht werden, wird die Schneedecke sofort dick. Sie ist hart durchgefroren, die Schneeschuhe bleiben im Rucksack, die Stöcke geben die nötige Balance. Nach einer kurzen Waldpassage erreiche ich das Morschfeld und erblicke oben am Hang schon das Brisenhaus. Hin und wieder kommen mir Tourenskifahrer entgegen, die ihr Tageswerk schon vollbracht haben. Es kratzt und klappert, ein echtes Vergnügen kann das nicht sein.
Ich hingegen freue mich über den Blick auf den fast gänzlich weissen Brisen und den formschönen Schinberg – und über das schnelle Vorwärtskommen. Auf der Terrasse der Brisenhütte schnalle ich im Angesicht des doch etwas steileren Hangs zum Glattgrat – „Schuenegg-Gletti“ genannt – meine Halbsteigeisen an, in der Hoffnung, das das Weiss bis oben so hart bleibt. Dann ziehe ich zügig los und nehme mir vor, den einsamen Türeler auf halber Höhe des Grats einzuholen. Das ist sonst nicht meine Art, aber hin und wieder setzt man sich solch eigenartige Ziele, weil diese Teilstrecke sichtmässig nicht so viel hergibt …
Tatsächlich schwinden die Höhenmeter schnell dank der scharfen Zacken unter den Schuhen. Bald erreiche ich den Glattgrat, der mit einer altbekannten, aber immer wieder herbeigesehnten Belohnung wartet: Den grossartigen Blick auf den Uri Rotstock mit seinen Trabanten. Auch der nahe Brisen präsentiert sich hier auf eine sehr neckische Weise. Er ist fast vollständig verfirnt. Viel schöner als im Sommer! Der kalte Wind lädt nicht gerade zur Rast, aber weiter östlich auf dem Grat wird es besser. Zeit für eine Fotosession.
Etwas ist hier anders als sonst, denke ich. Aber was? Ich hole mein iPhone hervor und suche die Bilder meiner Sommertraverse vom Brisen zum Schwalmis im Juli 2015. Und tatsächlich, da ist dieser grasige Glattgrat ziemlich schmal – heute ist er ein fast 10 Meter breiter Rücken. Jetzt ahne ich die Gefahr und wende mich zügig der freigeblasenen Nordkante zu, wo sich gefrorenes Gras zeigt. Ich laufe vorsichtig weiter bis sich mein Verdacht bestätigt: Hier hat sich eine gigantische Schneewechte entwickelt. Kurz vor dem Aufschwung zum Risetenstock sehe ich, wie sich ein grosser Spalt auftut. Hier bahnt sich ein richtig grosser Abbruch an, sobald es etwas wärmer wird. Ich schiesse fasziniert ein paar Fotos und mache mich dann auf den Rückweg, nicht ohne den inzwischen auch oben angekommenen Türeler zu warnen.
Wir wechseln ein paar Worte über die Launen der Natur, dann jogge ich den Hang hinunter. Kurz vor dem Brisenhaus entscheide ich mich, wieder nach Maria Rickenbach zurückzukehren, anstatt wie geplant zur Klewenalp abzusteigen. Ich wähle eine schnelle Direktroute, der Schnee ist immer noch schön hart und trägt mich rasch ins Tal.
Freudig betrete ich schliesslich wieder die heimelige Wirtsstube des Pilgerhauses, und lasse mich mit einer feinen Gulaschsuppe, einem deftigen Huis-Kaffi und der verschmitzten Fröhlichkeit von Servicefrau Petra verwöhnen.
Tourdatum: 31. Januar 2018
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