Die Trifthütte steht schon lange auf meiner Wunschliste. Eigentlich wollte ich die Tour mit der Besteigung des Dietschihorns und dem Übergang ins Gelmertal verbinden. Aber dafür braucht es zwei wettersichere Tage, die es momentan nicht gibt. Dann eben „nur“ ein Hüttenbesuch. Das stellt sich als weiser Entschluss heraus. Die Wanderung zur SAC-Hütte ist ein anspruchsvolles, abwechslungsreiches Tagesprogramm. Sie führt über die bekannte Hängebrücke und durch mehrere Geländekammern ins Brutgebiet des Triftgletschers, grossartig. Das ruft nach Wiederholungen.
(Blogbeitrag vom 4.8.2014/aktualisiert am 8.9.2017) – Von Schwendi im Gadmental führt ein kleines Werksbähnchen zur Underen Trift, wo das Gletscherwasser des Triftbachs in die Röhren des Kraftwerks verschwindet. Das spart 400 Höhenmeter und einen ziemlich langen Anmarsch. Es lohnt sich, früh da zu sein, die Kapazität ist äusserst beschränkt (online reservierbar). Für die Talfahrt bekomme ich eine Zeit zugeteilt. Das hat den Vorteil, dass der Platz gesichert ist, aber den Nachteil, dass man den ganzen Tag das Damoklesschwert der Uhr über dem Kopf hat. Die Fahrt ist das erste kleine Abenteuer des Tages. Die kleine Kabine schwebt hoch über die enge Triftschlucht und gibt nervenkitzelnde Tiefblicke frei.
Die Tour beginnt gemütlich steigend durch das karge Trifttal. In einer knappen Stunde erreiche ich das Tagesziel der grossen Mehrheit der Wanderer, die in dieses Tal pilgern: die spektakuläre Hängebrücke über der Triftschlucht. Die ersten Familien sind schon da, sie kommen von der nahegelegenen Windegghütte, wo sie übernachtet haben. Bis zu meiner Rückkehr werden beide Brückenköpfe dicht von picknickenden Bergfreunden besiedelt sein. Sie bekommen aber auch wirklich etwas geboten: Hinter dem braungrünen Gletschersee wälzen sich die blauen Eiszungen des Triftgletschers hinunter.
Ich passiere die Brücke mit einem etwas mulmigen Gefühl. 100 Meter unter mir tost das Wasser durch die engen Felsspalten. Eindrücklich, aber nicht mein Ding.
Gleich nach der Brücke wechselt die Markierung von rot-weiss auf blau-weiss. Bald gilt es, ausgesetzt ein paar Leitern hinunterzuklettern. Danach muss mit etwas Geschick ein steiniges Bachbrett durchquert werden. Der Pfad ist schmal. Eine gute „natürliche“ Grenze. Ich bin wieder alleine.
Der Pfad führt nun rasch steil hinauf durch dicht überwachsene Bergflanken zu einer kleinen Ebene am Eingang des Zwischentierbergentals. Hier ist die Frontalsicht auf den Gletscher umwerfend. Bei Pt. 2057 ist deshalb zwingend eine Genusspause angesagt. Ich fotografiere mehrmals dasselbe Sujet, als ob es mir sonst weglaufen würde.
Die Route führt weiter zur Schlüsselstelle: Die beiden Zwischentierbergbäche müssen überquert werden. Beim Ersten kann ich ziemlich gut über grosse Steine hüpfen, der Wasserstand ist heute nicht so hoch (2017 gibt es hier eine kleine Brücke). Der Zweite liegt noch unter dem Restschneefeld einer Lawine, die Schneebrücke sieht nicht besonders vertrauenserweckend aus. Sehr vorsichtig traversiere ich über den harten Schnee, unter meinen Füssen gurgeln dumpf die wilden Wasser (8.9.2017: Ohne Schnee, die Querung des vollen Bachs und der Aufstieg über den Schutt sind nicht zu unterschätzen). Dann muss ich schmunzeln: Ein Spassvogel hat mit den blau-weissen Markierungsfarben einen Stein zum lächelnden Hai gemacht. Wohl als freundschaftlicher Augenzwink für Pechvögel, die hier unfreiwillig baden gehen.
Über eine steile Felsstufe führt die Route aus dem Zwischentierbergental hinaus. An heiklen Stellen helfen Ketten. Der nächste Abschnitt entlang dem Gletscher ist Genuss pur, auch wenn man auf dieser Steilhangtraverse hellwach sein muss. Immer mit dem blauen Eis vor Augen erreiche ich schliesslich den gletschergeschliffenen Talriegel, der mit Hilfe von Ketten erklommen wird (max. I). Hier oben geht der Gletscher in die Breite und es öffnet sich der atemberaubende Blick auf die kolossalen Eismassen. Der Gletscher mag unten ziemlich stark zurückgegangen sein, aber hier oben liegen noch Millionen Tonnen Eis für die nächsten Generationen.
Wenig später erreiche ich die Hütte. Hier erwartet den Besucher nicht nur ein prächtiges Panorama, sondern auch die Gastfreundschaft der fröhlichen Hüttenwartin und ihres nepalesischen Partners (2017: Eine ebenso nette junge Familie mit zwei Kindern). Gebetsfahnen vermitteln ein Himalaya-Feeling. Es ist Mittagszeit, und das Hüttenteam nimmt gerade einen Aprikosen-Kuchen aus dem Ofen. Ich setze mich auf die Bank an der Sonne, studiere die spaltenreichen Eisflüsse und beisse herzhaft in das warme Gebäck.
Auf dem Abstieg drehe ich mich immer wieder um, ich kann mich einfach nicht satt sehen an diesem Gletscher (2017: Wir wählen für den Beginn des Abstiegs den alten Hüttenweg, der bei der alten Trifthütte rechts wegführt und etwas direkter und steiler ist. Die Markierungen sind verblasst, aber noch gut sichtbar. Der Hüttenwart hat neue Ketten montiert, so dass die Kraxelpassagen anstatt Schwierigkeiten Freude bereiten).
Beim Passieren der Hängebrücke erwische ich mich wieder dabei, dass mir dieses wacklige Ding mehr Respekt einflösst als mir lieb ist. Mit festem Boden unter den Füssen ist es mir auch an den ausgesetzten Lagen wohler als auf von Menschenhand erschaffenen Werken.
Kurz vor drei Uhr besteige ich das winzige Bähnchen wieder und lasse mich zufrieden ins Tal hinuntergondeln. An der Talstation sollte man übrigens unbedingt eines der hausgemachten Glacés probieren!
Tourdatum: 4. August 2014 (8. September 2017, mit Walter und Marc)
Kartenausschnitt Trifthütte (pdf)
Interaktiver Kartenausschnitt (Route 2017)
Danke für den ausführlichen Bericht. Ist richtig gut und informativ. Habe es bis jetzt nur bis zur Brücke geschafft, aber die Hütte steht auf meiner Todo-Liste.
Liebe Grüsse
Rolf