Das Leistchamm-Spektakel 2100m ü. M.

Das Wetter ist heute unberechenbar, es ist schwül, Gewitterzellen geistern herum. Ich suche deshalb nach einer kurzen Tour und entscheide mich für den Leistchamm. Die elegante Spitze bei Amden ragt 1700m aus dem Walensee empor. Ich freue mich auf das Gipfelspektakel, das es für vergleichsweise wenig Aufwand zu holen gibt.

Bei Arvenbühl ob Amden ist es ruhig. Als ich um 9 Uhr parkiere sind die Parkplätze leer. Ich fülle den gefrässigen Automaten und marschiere los. Das Ticket kann später im Restaurant als Zahlungsmittel verwendet werden, das rechtfertigt den Franken pro Stunde. Die Route folgt zunächst einem Strässchen, das mit Häuschen unterschiedlicher architektonischer Provenienz gesäumt ist. Eigentlich schade, dass sich die St. Galler die Berner Oberländer nicht zum Vorbild nehmen. Die Landschaft hätte es verdient.

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Der spitzige Leistchamm vom Talboden aus gesehen (Autobahn bei Weesen)

Bei den Skiliften beginnt der Anstieg, der Wald verschluckt mich, und die wohlriechenden Moorböden und das Pfeifen der Vögel lassen mich die Bausünden schnell vergessen. Es blumt mächtig und gelb, überall schiessen verschiedene Arten von Hahnenfüssen und Sumpfdotterblumen aus dem Boden. Ein Kuckuck-Paar unterhält sich laut und lebhaft. Nach einer halben Stunde lädt die Alp Looch zum Kaffee, leider etwas zu früh für meine erst gerade warmgelaufenen Beine. Erst auf dem Scheitel zum Toggenburg mache ich eine kurze Pause.

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Frühling im Wald
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Spannende Schrattenkalkstrukturen am Nordfuss des Leistchamms – und der Blick ins Toggenburg mit Säntis

Ab hier wird es steil und leider auch etwas glitschig. Der Pfad besteht aus viel lehmigen Boden und abwärtsgerichteten Platten, nass etwas heikel zu begehen, vor allem beim späteren Abstieg. Das gestrige Gewitter ist noch überall spürbar, auch optisch in Form von zahlreichen Hagelkörnern. Der Pfad ist sonst grundsätzlich harmlos und nirgends ausgesetzt.

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Ein Blick nach Arvenbühl von der Vegetationsgrenze
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Gewitterreste

Auf halber Höhe findet die Vegetation eine Ende, und die Wegspuren folgen nun dem grasigen Nordgrat entlang den kümmerlichen Resten einer langen Gratwächte. Dann umkreisen mich zwei Dohlen und künden damit das baldige Erreichen des Gipfels an. Und ja, nun kommt dieser wunderbare Moment, wo die Fernsicht auf die unzähligen weissen Gipfel des Alpenkamms frei wird – und Sekunden später der überwältigende Tiefblick auf den Walensee. Uff, da muss ich zuerst richtig durchatmen.

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Ohne Worte I
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Ohne Worte II

Ich ziehe mein klitschnasses T-Shirt  über den Kopf und hänge es ans Gipfelkreuz zum Trocknen. Dann leere ich einen halben Liter Wasser hinunter und gebe mich dem Genuss hin – fast eine Stunde chille ich. Der Abgrund fasziniert, immer wieder nähere ich mich vorsichtig der Felskante, um diese bedrohende Leere zu erkunden. Danach krieche ich jeweils lebensbejahend wieder auf das harmlose Grasplateau zurück. Eine emotionale Achterbahn.

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Den Fernblick zur Alpenkette gibt es hier natürlich auch noch…

Der Abstieg zum Fuss des Leistchamms dauert wie erwartet etwas länger als der Aufstieg. Entsprechend freue ich mich dann auf die sanfte Abstiegsrunde durch die geologisch interessante Leiboldenmulde. Zunächst erklimme ich den neckischen Flügenspitz und blicke dort nochmals auf die ausgewaschenen Felsen der Leistchamm Nordseite zurück. Dann zieht der gepflegte Pfad über moorige Weiden und offenen Wald zur Alp Altschen hinunter. Die geologische Besonderheiten dieses Gebiets werden dort auf einer Infotafel erläutert.

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Fotopause auf dem Flügenspitz, der Blick zurück zum Leistchamm

Das letzte Teilstück, der Abstieg über den Wiesenrücken nach Arvenbühl, ist ein wahres Blumenfest. Das gemütliche Auslaufen auf dem breiten Wanderweg mit Blick auf Mattstock, Mürtschenstock und Glärnisch erfordert keinen ständigen Kontrollblick zum Boden. Umso intensiver kann der Bergfrühling genossen werden.

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Im Toggenburg beginnt es zu brodeln
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Blumenwandern mit Alpensicht
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Der Blick zurück zum Leistchamm

Bald erreiche ich die ersten Häuser von Arvenbühl und ignoriere die Eruptionen des menschlichen Geschmacks. Ich steure direkt auf die geräumige Terrasse des Restaurants zu. Hier isst man gut, und die Bedienung ist bemerkenswert nett. Indessen türmen sich über den Glarner Alpen immer mehr Gewitterwolken. Ich schmunzle, sie können mir nichts mehr antun.

Tourdatum: 2. Juni 2017

Kartenausschnitt Leistchamm (pdf)

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhen- und Zeitangaben

9 Kommentare

  1. Lieber Edwin, vor einiger Zeit habe ich deinen Newsletter abonniert. Immer wieder begeistern mich deine Routenbeschreibungen und noch mehr deine fantastischen Bilder – einfach ‚amächelig‘, sodass ich mich am Donnerstag auf zum Leistchamm und zur Gocht aufgemacht habe. Ich freue mich auf deine nächsten Berichte. Herzlicher Gruss, Moni

  2. danke für die gelungene beschrebung mit den super fotos. ich war grad gestern oben, bei feuchtheissem, schwülem wetter. auf dem gipfel flogen schwarmweise ameisen heurm, 2 dohlen und einige schwalben. natürlich war die aussicht wieder berauschend, wie jedes jahr, wenn ich da heraufkomme, seit fast 20 jahren, und tendenziell immer länger brauche. seit 4 jahren übrigens mit den fivefingers barfussschuhen…

  3. Hallo,
    deine Internetseite sieht total klasse und inspirierend aus!
    Wir wollen die Tour gerne auch am Wochenende machen, haben allerdings einen kleinen Zwerg (15 Monate) dabei, wir haben eine Trage für ihn und das klappt meistens gut. Meinst du, das diese Tour was für uns ist, oder ist es zu steil/gefährlich…?!
    Liebe Grüße, M & T.

    • Wenn es trocken ist sollte das gut gehen. Es gibt am Anfang des Aufstiegs zum Leistchamm nach der Abzweigung nach Starkenbach ein paar plattige Stellen, wo ihr aufpassen müsst.

        • Ein Wegstück, dass durch nach unten laufende Steinplatten geprägt ist. Hier muss man etwas balancieren und bei Nässe ist es rutschig

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