Frühlingserwachen im Alpstein 1768m ü. M.

Ich kann mich nicht erinnern, je so früh im Jahr in den Alpstein aufgebrochen zu sein. Doch der Zuruf eines Wanderfreundes, dass auf der Alp Sigel die Krokusse blühen, gab den Anstoss dazu. Und siehe da, wir erleben das noch fast menschenleere Massiv in fast all seinen wunderbaren Facetten. Die Tour führt uns von Brülisau über die zahme Gocht auf die Alp Sigel, von dort hinunter zur Streckwees, an den Fuss der Dreifaltigkeit, und schliesslich nochmals hoch zum winterlichen Fälensee.

Die Bäckersfrau in Brülisau streicht frische Sandwiches für uns, während wir herzhaft in einen frischen Berliner beissen. Etwas Energiezufuhr darf sein, wollen wir doch direttisima durch die steile Hintertüre auf die Alp Sigel steigen. Die gewählte Route führt zunächst über die Wiesen entlang eines einsamen Skilifts nach oben. Markierungen sind zunächst keine zu sehen, offenbar ist der Bauer nicht gerade glücklich mit der Wegführung über sein wertvolles Gras.

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Von Brülisau steigen wir über Wiesland hoch

Auf der Anhöhe oberhalb des Lifts wird der Wegverlauf eindeutig, sobald der Wald erreicht wird, zeigt sich ein gepflegter Pfad. Es wird steiler, die Puppenhäuschen des Appenzellerlandes unter uns werden immer kleiner. Eine gute Stunde nach dem Abmarsch erreichen wir die schön gelegene Grasterrasse der Alp Bärstein und schalten eine Verschnaufpause ein.

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Ein Kleinod, die Alp Bärstein. Dahinter die Ebenalp und die Altenalpspitzen
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Hinter der Alp erheben sich die Sigelwände, links der Mitte versteckt sich die zahme Gocht

Vor uns bauen sich die senkrechten Wände auf, durch die kein Durchkommen scheint. Die „zahme Gocht“ offenbart sich uns denn auch erst kurz vor ihrem Einstieg, der Schlitz liegt quer zum Wandverlauf. Die paar wenigen Schneereste schrecken uns nicht ab, ebenso wenig die noch am Boden liegenden Sicherungskabel. Wir müssen zweimal kurz in die steile Grasflanke ausweichen, sonst folgen wir der mit Stahltritten und -griffen gut ausgebauten Route mühelos. Dann erreichen wir die Schneewächte am Grat und werden mit einem grandiosen Weitblick über Alpstein und Alpen begrüsst.

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Die zahme Gocht: Eindrücklich und steil, aber eben: „zahm“
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Oben angekommen!

Was für ein Kontrast nach der steilen Wand! Grosszügiges Weidland, durchsetzt mit Millionen von Krokussen, breitet sich vor uns aus. Die Blümchen sind zwar noch meist verschlossen, die leichte Bise behagt ihnen nicht. Aber für die nächsten Wochen ist eigentlich schon alles angerichtet, was die Herzen der Blumenfreunde erfreut (die Bahn auf die Alp Sigel fährt ab dem 1. Mai). Trotzdem bin ich froh, hat Christine kurzfristig abgesagt, Chris und Reto gefällt es auch ohne Krokusfestival. Relaxt und den 360 Grad Rundblick (und den Tiefblick) geniessend, schlendern wir der Gratkante entlang hoch. Wenig später erreichen wir das Steinmännchen am höchsten Punkt (1768) der Alp, wo wir uns genussvoll aufs Gras und in die Sonne legen.

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Der grosse Kontrast zur Sigelwand: Die Weiden der Alp Sigel mit Panoramablick auf Stauberenkanzel, Kreuzberge und Roslenfirst
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Der „Gipfel“ mit Blick auf Marwees und Säntis

Nach der Fütterung und einem Auffrischen der Geografiekenntnisse – man sieht bis weit ins Bündnerland – brechen wir wieder auf. Wir folgen unserer Nase, surfen über die wenigen Restschneefelder hinunter und erreichen so den Wanderweg hinunter zur Streckwees. Das Gras ist hier schon tiefgrün, die ersten Bauern bereiten ihre Behausungen und Ställe auf den bald anstehenden Alpaufzug vor. Noch überwiegt die grosse Stille. Nur die Singvögel sind schon lauthals im Alpsteiner Bergfrühling angekommen. Weiter oben grast ein Rudel Gämsen.

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Die grosse Ruhe auf der Streckwees
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Die Dreifaltigkeit im Sonnenbad

Am Fuss der Dreifaltigkeit bestaunen wir die drei markanten Felszacken, bevor wir den kurzen, steilen Aufstieg durch den Stiefelwald zur Bollenwees unter die Füsse nehmen. Es fliessen ein paar Schweisstropfen, aber auch dieses Teilstück ist eindrücklich und vermittelt viel „Alpsteinfeeling“.  Der Pfad führt über viele Stufen einer gelb-grau gestreiften Felswand entlang nach oben. Schliesslich kommt der Wegweiser auf der Wasserscheide in Sicht. Bald stehen wir an diesem unverschämt schönen Punkt, der einen atemberaubenden Einblick in den Fälenfjord mit dem auftauenden See und auf die verschneiten Ausläufer des Altmanns freigibt. Ich halte jetzt alle 10 Meter an, um ein noch schöneres Foto von diesem fantastischen Sujet zu schiessen. Auf der Wiese vor dem (noch bis Mitte Mai verwaisten) Gasthaus Bollenwees lassen wir uns hochzufrieden nieder und geben uns nochmals einer ausgedehnten Chillpause hin. Was für ein unglaubliches Privileg, diese Pracht so exklusiv geniessen zu dürfen!

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Die letzten Meter Steigung im Stiefelwald
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Der winterliche Fälensee: Einfach grossartig!

Halb betrunken vor lauter guten Gefühlen machen wir uns schliesslich auf den Rückweg. Wir folgen dem breiten Kiesweg, drehen uns aber immer wieder um, um diese Eindrücke nachhaltig auf unserer Festplatte speichern zu können. So passieren wir den Sämtisersee, später das ebenfalls noch geschlossene „Plattenbödeli“ und erreichen nach dem Abstieg durch das bewaldete Brüeltobel wieder das „Flachland“ bei Brülisau. Jetzt haben wir auch nichts mehr dagegen, dass die Beizen offen sind. Das Bier im Rössli mundet gut.

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Der Rückweg führt über einen breiten Fahrweg dem Sämtisersee entlang. Am Horizont Kamor und Hoher Kasten
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Zurück in Brülisau – im Hintergrund die Wände der Alp Sigel

Tourdatum: 7. April 2017

Kartenausschnitt Alp Sigel-Fälensee (pdf)

Interaktiver Kartenausschnitt

2 Kommentare

  1. Lieber Edwin, einfach grossartig – Deine Wanderungen, Deine Site. Gratuliere! Bin immer mal wieder am Lesen und Staunen, und letztes Jahr war ich auch auf dem Rossberg. Hrzl, Oliver

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