Genusskletterei am Tomlishorn 2128m ü. M.

Wer hätte das vor drei Wochen gedacht, als ich auf der Rigi durch 50 Zentimeter Neuschnee stampfte! Dann kam der Föhn und putzte die Südflanken bis über 2000m frei. Es folgte die Bise und fror die Böden ein. Jetzt hat sich auch der Wind gelegt und die Sonne wärmt. Das ermöglicht fantastisches Dezemberwandern. Heute folgt so ein Prachtstag mit Genusskletterei am Südwestgrat des Tomlishorns und der Entdeckung des Stollenlochs in der Widderfeld-Ostwand. Und schöne Begegnungen mit Steinböcken, die die Sonne genauso geniessen wie wir.

Gegen neun Uhr parkieren wir bei strahlendem Sonnenschein auf der Alp Lütholdsmatt oberhalb Alpnach und staunen über die angenehme Temperatur – viel wärmer als im nebligkalten Mittelland! Die Hälfte der mitgebrachten Winterbekleidung bleibt im Auto, nur die Halbsteigeisen, ein Kurzseil und den Eispickel packen wir sicherheitshalber ein. Um es vorwegzunehmen – sie werden im Rucksack bleiben.

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Einlaufen entlang verlassener Höfe am Fuss des Matthorns

Wir folgen dem breiten Wanderweg in Richtung Pilatus-Kulm und laufen uns rasch warm. Die Sicht auf die Alpenkette ist umwerfend, besonders sehenswert der Titlis, der Glärnisch und die Bisenwalzen an den Berner Viertausendern. Fotostopps bremsen unser Tempo. Kurz vor der Alp Frakmünt sichten wir unsere Tagesziele: den Südwestgrat des Tomlishorn und die eindrückliche Ostwand des Widderfelds.

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Rechts der Mitte der Südwestgrat des Tomlishorns, links das Widderfeld

Wir verlassen den Wanderweg und suchen die Pfadspuren, die uns zu den Ställen der Alp Tumli am Fuss des Grats führen. Hier pausieren wir kurz und suchen dann mit viel Vorfreude den Einstieg in das vielversprechende Klettergelände. Ein angejahrtes Seil weist den Weg über die ersten Meter Fels, die es gleich in sich haben. Aber die Griffe und Tritte sind perfekt, über eine II geht das nicht hinaus. Der Grat ist lang und macht uns immer mehr Freude. Die Kletterei verlangt hin und wieder etwas Orientierungssinn, ist aber nie wirklich ausgesetzt. Der Kalk hält (fast) überall und die Sonne wärmt wunderbar, ohne das wir wirklich ins Schwitzen kommen. Was für ein Genuss!

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Es darf zugegriffen werden!
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Gabriel nimmt sich die nächste Rippe vor…

Nach der Hälfte der Gratlänge flacht das Gelände ab, wir nehmen die Stöcke wieder hervor. Noch liegen einige Höhenmeter vor uns, aber es steigt sich auf den trockenen Böden leicht. Amüsiert schauen wir einer grossen Gämsherde (>40) zu, die ob unserem Getue auf dem Felsband erschrickt und die Flucht in entfernteres Gefilde ergreift. Als ob wir denen etwas antun könnten von hier oben! Die ebenfalls grasenden Steinböcke sehen es gleich, sie schütteln ob so viel Panik nur den Kopf und ignorieren uns schlicht.

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Der obere Gratteil ist Wandergelände. Wer sieht die Steinböcke grasen am Hang links?

Bestens gelaunt erreichen wir das Tomlishorn und mit ihm die heute grandiose Sicht ins Mittelland. Luzern präsentiert sich ebenso märklinmässig wie der Chasseral und die Vogesen in der Ferne. Aber auch die Bergdohlen scheinen sich an meine Grosszügigkeit vor sechs Wochen zu erinnern. Sie reihen sich vor uns auf und laben sich bald an den Krümmeln meines XL-Laugensandwichs.

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Luzern von oben…
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Vierwaldstättersee und Glärnisch

Da sich kurzfristig einige Wolken vor die Sonne schieben, setzen wir die Tour rasch fort und traversieren über diese unverschämt schöne Gratroute bis zum Gämsmättli am Fuss der Widderfeldwand. Hier verlassen wir den Bergweg und folgen den Pfadspuren unterhalb der überhängenden Ostwand. Die Restschneefelder sind glücklicherweise aufgetaut und so erreichen wir ohne Hilfsmittel schneller als geplant die eindrückliche Felsbrücke (siehe Foto) und gleich danach den Eingang des Stollenlochs. Dieser Tunnel, wohl ein Erzeugnis des Aktivdienstes, führt uns durch die Ostwand auf die Südflanke des Widderfelds, über die mit blauen Strichen markierte Wegspuren durch das steile Grasgelände auf das Gipfelplateau führen. Eine grossartige  Alternative zum offiziellen Wanderweg auf der winterlichen Nordseite des Widderfelds!

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Gratgenuss auf dem Weg zum Widderfeld – wer erkennt die Bisenwalzen über dem Eiger?
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Am Fuss der Ostwand folgen wir den schwachen Spuren…
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… die über diese Steinbrücke führen…
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… bis zum Eingang des Stollenlochs, das den Durchgang durch die Wand ermöglicht

Auf dem Gipfelgrat angekommen empfängt uns eine grosse Herde Steinböcke, die die Sonne und die Windstille genauso geniesst wie wir. Auf dem trockenen Gras des Nordgipfels geniessen wir eine ausgedehnte Mittagspause. Ich kann mich kaum erholen vor lauter Freude, was für ein grossartiger Tag, was für ein fantastischer Aussichtspunkt! Es ist heute das dritte Mal, aber vom Widderfeld werde ich wohl nie genug bekommen.

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Was ist schöner – das Gipfel-Stilleben, der Himmel oder die Berge?
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Schön, der Blick zurück zum Südwestgrat des Tomlishorns – wir kommen wieder!

Auf dem Abstieg widmen wir den Steinböcken noch einige Zeit. Sie lassen uns ziemlich nahe ran. Besonders relaxt ist ein älterer Bock, der ganz alleine die Sonne geniesst, und sich nur sehr ungern von uns stören lässt. Ich schmunzle, und versuche mich in seine Gedankenwelt einzufühlen.

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Wir sind ihm egal – er uns nicht…

Mehr als befriedigt schlendern wir den breiten Gratrücken des Widderfeld hinunter bis zum schon mehrmals beschriebenen, prachtvollen Taigagelände auf dem Pass. Nach einem letzten Rundblick steigen wir steil durch den Feldeggwald zum Gehöft Märenschlag ab, von wo aus wir der Alpstrasse zurück zum Auto folgen. Eines der schönsten Erlebnistage dieses reichen Wanderjahres neigt sich dem Ende zu.

Danke Gabriel, für die Routenwahl, die Begleitung und das schöne Titelfoto! Wer die Tour aus seiner Sicht lesen und mehr Fotos sehen will, der klicke hier.

Tourdatum: 1. Dezember 2016

Kartenausschnitt-Tomlishorn-pdf

Interaktiver Kartenausschnitt

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