Snowboard-Crack Lea lässt für einmal die Pisten beiseite und begleitet mich bei der Überschreitung des Dent de Combette. Ich muss ihr versprechen, dass es anspruchsvoll wird, sonst sei ihr Wandern zu langweilig. Sie wird auf ihre Kosten kommen. Die kurzweilige Tour im Waadtländer Teil der Gastlosenkette fordert – nicht nur im Winter – hohe Trittsicherheit und etwas Mut. Dazu bietet sie viel Fernsicht in einer grandiosen Kulisse.
Wir zweigen in Rougemont von der Kantonsstrasse ab und fahren über die schmale Alpstrasse nach La Manche. Auf rund 1560m erreichen wir eine erstaunlich flache Alp und parkieren neben einer hübschen Spitzdachhütte. Das Thermometer zeigt etwas unter Null Grat an, aber die Sonne wärmt gut. Es ist absolut still. Kein Vogel, kein Bachrauschen, kein Insekt, nichts. Ich atme tief durch und freue mich. Lea meint hingegen, das sei ja fast gespenstisch. Wir laufen los und diskutieren die unterschiedliche Wirkung von Stille.
Der Alpweg zum angepeilten Gratrücken der Rochers des Rayes ist zunächst recht steil, bald ist uns wohlig warm. Nach zwanzig Minuten erreichen wir den Grat und zweigen auf einen schmalen Pfad ein, der zunächst durch bewaldetes Gebiet dem Gratverlauf folgt. Er ist rotweiss (ziemlich verblasst) markiert, müsste aber blauweiss sein, so gibt es auch die offizielle Online-Landeskarte an. Über Stock und Stein, balancierend über vereiste Schneeresten, erreichen wir den steilen Aufschwung, der auf den verschneiten Gipfelgrat der Rochers des Rayes führt. Hier müssen die Hände zwei-, dreimal zu Hilfe genommen werfen. Lea ist vorerst zufrieden, auch wenn es nun – bei totaler Windstille – an der prallen Sonne recht warm wird. Eine knappe Stunde nach Abmarsch erreichen wir den ersten Gipfel des Tages.
Die Sicht ist grossartig. Ganz nahe die markanten Freiburger Gipfel um den Vanil Noir. Dann das Saanenland mit seinen beschneiten schmalen Pisten, die wie weisse Lavaströme die gelbbraunen Berghänge hinunterfliessen. In der Ferne die gesamte Berner Oberländer Prominenz. Dahinter ragen die höchsten Spitzen der Walliser Viertausender hervor, im Südwesten abgeschlossen durch Mont Blanc und Dent du Midi. Jenseits des nebligen Mittellands grüsst der Sendeturm auf dem Chasseral.
Das Spektakulärste steht jedoch gleich vor uns – der knackige Zahn, den wir als Nächstes besteigen wollen. Eindrücklich präsentiert sich uns der Dent de Combette von hier, ja unbezwingbar. Doch dank den Hikr-Berichten weiss ich, dass die Südwestflanke einen einfachen Durchstieg (T4/I) ermöglicht. Doch zuerst müssen wir dahin kommen, und die Traverse zwischen den beiden Gipfeln ist anspruchsvoll. Insbesondere zumal ein Teil der Pfadspuren mit pickelhartem Schnee überzogen ist. Wir müssen vorsichtig etwas von der Idealroute abweichen, erreichen dann aber doch ohne Hilfsmittel den Einstieg zum Gipfelfelsen. Hier markieren kleine rote Striche den Aufstieg über das glücklicherweise schnee- und eisfreie Band. Die Kraxlerei macht Spass. Im oberen Teil hängt ein Stahlseil, das aber nicht wirklich gebraucht wird. Jetzt ist Lea richtig im Saft.
Der Ausstieg liegt nur rund 20 schmale Gratmeter vom Gipfel entfernt, der seinerseits mit einem grosszügigen Grasplateau überrascht. Schöner kann ein Picknickplatz nicht sein! Genussvoll essen wir unsere Sandwiches und stillen den Durst. Dann legen wir uns ins trockene Gras. Dösend geniessen wir die grosse Stille und die Sonnenstrahlen, die sanft über unsere Wangen streichen.
Der Abstieg folgt über die blauweiss markierte Normalroute. Sie bietet keine nennenswerten Schwierigkeiten, ausser an jenen Stellen, die mit Hartschnee überzogen sind (T5, sonst T4). So wird der Pickel doch noch ausgepackt, um ein paar Tritte zu schlagen. Ein bisschen Geschick bei der Routenwahl braucht es auch. Die Eisen bleiben jedoch im Rucksack.
Bei Pt. 1943 verlassen wir schliesslich den Grat und steigen über vereiste Wiesen zur Alp Combette ab, wo wir wieder auf einen Wanderweg treffen. Jetzt können wir gemütlich „auslaufen“. Immer wieder freuen wir uns über den Blick nach oben auf den knackigen Zahn, der uns einen so wunderbaren Winterwandertag beschert hat.
Tourdatum: 27. Dezember 2016
Kartenausschnitt-dent-de-combette-pdf
Wetter ist ja Hammer. Aber wo bleibt der Winter? Muss wohl meine Langlaufkarriere aufgeben und mehr wandern. Gruss
Schöne Bilder hast Du uns mitgebracht. Nach meinem Tagesausflug auf Vanil Noir und Pointe de Paray diesen Sommer bin ich von den Freiburger Voralpen ebenfalls sehr angetan und plane einen mehrtägigen Aufenthalt im nächsten Frühsommer.
Dann nimm bitte unsere Wohnung als Basecamp! Morgen steht der Dent de Savigny auf dem Programm