Freunde aus Flims/Laax rieten mir, ihr schönes Skigebiet einmal zu besuchen. Das machen wir heute, aber nicht mit der Bahn, sondern kraxelnd durch die engen Durchstiege der gewaltigen Wand auf der Elmer Seite. Ein grossartiges Erlebnis. „Martinsmad-Runde“ nenne ich das Ding. Tom ist mit dabei – etwas Muskelkater wird in Kauf genommen.
Die kleine Tschinglen-Bahn – heute eine Vierergondel, bis vor 6 Jahren noch eine Holzkiste – bringt uns über eine tiefe Schlucht schwebend auf die hübsche Alp mit ihren Knusperhäuschen. Während die meisten Wanderer von hier aus den Segnaspass anvisieren, folgen wir zunächst dem Bach über mehrere, eindrückliche Talstufen zur Martinsmadhütte. Der Weg ist kunstvoll angelegt und mit vielen Ketten gesichert. Trittsicherheit ist vorausgesetzt, schon die Überschreitung der beiden geländerlosen Brücklein in Tschinglen gibt diesbezüglich den Tarif durch. Dafür wird man belohnt mit der Sicht auf eine Vielzahl von Wasserfällen und faszinierenden Felsformationen, die ihrerseits die Steilheit des Geländes unterstreichen.
Nach einer guten Stunde erreichen wir die Martinsmad-Hütte. Sie liegt frech auf einem Felsvorsprung. Talwärts überblickt der Besucher eine steile Wand, bergwärts schaut man direkt auf das Pièce de Resistance des Tages – die ungeheure Wand, die das Glarnerland vom Bündnerland trennt. Wir ruhen etwas aus und freuen uns über die Backkünste von Hüttenwartin Barbara. Zwetschgen-Mandel-Kuchen gibt es heute – sehr fein.
Jetzt weiter zum betonverstärkten Hochspannungsmasten. Strommasten in der Wildnis? Ja, zwei gewaltige Leitungen überwinden hier den Felsriegel in Richtung Süden – Strom für Italien. Die eindrückliche Ingenieursleistung begleitet uns den ganzen Tag. Die Martinsmad begeistert – eine flache Ebene, die quer vor der Wand liegt. Ein Kleinod voller Leben: Tiefes Gras, Alpenblumen, aber auch viel feiner Schutt, Schneereste, wilde Bäche, Wasserfälle.
Vor uns liegt das Schwarzwändli. Rund 80 Höhenmeter wollen hier kraxelnd überwunden werden. Ein Stahlseil hilft, ohne diesem hätten wir wohl zuviel Respekt gehabt. So gehts perfekt, wenig später stehen wir oben und erreichen die nächste Geländekammer. Jetzt in einer Steinwüste laufend, erblicken wir rund 400 Höhenmeter weiter oben den Durchstieg auf das Vorabplateau. Die Route ist weglos, aber gut weiss-blau-weiss markiert. Firnfelder müssen überwunden werden. Der Schnee ist trittfest, es steigt sich gut. Zwischendurch weichen wir auf die Felsplatten aus und lassen die Hände mitarbeiten.
Ohne Pause und Luftholen geht es nicht. Wir überholen einen SAC-Veteranen und nutzen den kurzen Schwatz, um den Wasser- und Energiehaushalt wieder in Ordung zu bringen. Der nette Kerl erzählt uns, dass Hüttenwartin Barbara Ende Saison nach 15 Jahren aufhören wird. Ob die Neue aus Stäfa wohl gleich gut backen kann?
Wenig später überkraxeln wir die letzten Felsen und erreichen das Plateau, wo uns der Vorabfirn begrüsst. Was für ein Szenenwechsel! Wir streifen durch Felsen und Schneefelder und überschreiten wenig später das Bündnerjoch, das uns den Blick auf den weiten Horizont und eine Unzahl von Bündner Gipfeln freigibt. Am Joch begegnen wir auch der Zivilisation in Form eines Fahrwegs und zwei Bündner Bikern – wir bestaunen uns gegenseitig.
Leicht steigend folgen wir dem Schotterweg, bis wir kurz vor dem Laaxer Stöckli auf der Glarner Seite in die Schutthänge einsteigen. Diese folgen wir bis zum Grischsattel, der Höhenkurve folgend. Etwas anstrengend, aber das Auge wird reich belohnt durch die Betrachtung der Steine, die in grün, braun, schwarz und rot leuchten. Dazwischen klammern sich karge Pionierpflänzchen fest, die sich hier eine bescheidene Existenz aufgebaut haben.
Auf dem Grischsattel geniessen wir die Sicht nach Süden und nach Norden. Das Picknick mundet, die Sonne scheint intensiv. Ich grüsse meine Flimser Freunde nochmals symbolisch von oben, dann tauchen wir wieder in die Martinsmad ein. Hier ist ein Pfad vorhanden, aber es ist anspruchsvoll. Durch Schutt surfend, dazwischen auch mal ein Firnfeld, bauen wir rasch Höhe ab. Auch hier muss ein Stück durch die hier wenig steile Wand begangen werden, aber der Pfad ist gut und die Seilsicherungen tun gut.
Rasch erreichen wir die Ebene der Martinsmad wieder. Das tiefe Gras lacht uns an – wenig später ein grosses Schorle in der Hütte. Der Abstieg von der Hütte ist anschliessend genauso so anspruchsvoll und abwechslungsreif wie der Aufstieg. Mit müden Knien und Beinen, aber topzufrieden steigen wir schliesslich wieder ins Bähnchen.
Kartenausschnitt Martinsmad (pdf)
Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben
Tourdatum: 11. Juli 2015