An einem dieser „Sonn“-tagnachmittage (nach einem nebligkalten Morgen) im Oktober treffe ich einen Freund auf der Strasse. Wir hätten einander viel zu erzählen. „Komm, wir machen morgen frei und laufen auf den Niesen“, schlage ich vor, „das ist knieschonend, und es gibt am Ende ein warmes Mittagessen“. Wenig später simst Martin: „Bin dabei!“.
Am nächsten Morgen frühstücken wir im Sechsuhr-Zug nach Bern und warten freudig darauf, dem Nebel zu entkommen. Petrus ist gnädig, genau bei der Bahnstation Reichenbach gibt er unserer Ungeduld nach. Unter strahlend blauem Himmel, auch wenn noch kurz im Schatten, nehmen wir die Bewältigung der 1700 Höhenmeter zum Gipfel dieser markanten Pyramide unter die Füsse.
Der Weg führt zunächst durch Wald. Grundsätzlich etwas langweilig, aber wir haben viel zu fachsimpeln. So sind wir im Nu ein paar Hundert Meter weiter oben und erreichen offenes Gelände. Mit etwas Respekt schauen wir bei unserer ersten Trinkpause zur Bergstation hoch, die noch unendlich weit weg scheint. Die Schweissperlen glänzen auf unserer Stirn.
Steil geht es über Wiesen und durch Tobel weiter hinauf. Erholungsphasen sind auf dieser Route nicht vorgesehen, unablässig müssen Höhenmeter gefressen werden. Dafür zeigen sich bald die Wunderwerke des Berner Oberlands: Zunächst guckt die Blüemlisalpgruppe hervor, bald lässt sich auch das EMJ Trio (für einmal ein anderes Wort für „Eiger, Mönch und Jungfrau“) blicken.
Die Alpweiden sind mit schönen Bauernhäusern und Ställen bestückt, die an diesem letzten Oktobermontag schon längst verlassen sind. Kein schlechter Arbeitsplatz im Sommer, auf halber Höhe des Niesens, hoch über dem Thunersee. Wir nutzen ein besonders reizvoll gelegenes Exemplar der Berner Oberländer Zimmermannskunst, um uns eine richtige Pause zu gönnen. Die ersten 1000 Höhenmeter sind geschafft! Angelehnt an der warmen, von der Bergsonne dunkelgebrannten Holzwand, geniessen wir das wunderbare Panorama und denken etwas mitleidig an unsere Bürokollegen unter den Wolken.
Die Route führt an einer weiteren pittoresken Alpsiedlung (Oberniesen) vorbei, bald erreichen wir den prägnanten Niesengrat. Hier verändert sich die Szenerie komplett. Vor uns sehen wir die hübsch aneinander gereihten Gipfelchen des Gantrischgebiets und des Simmentals, gleichzeitig wird das Gelände ziemlich alpin. Der Pfad quert jetzt steil hoch vom Südgrat zum Westgrat. Hier erwartet uns die Sicht über das kolossale Nebelmeer über dem Mittelland – noch 200 Höhenmeter trennen uns vom Gipfel. An den Nordflanken des Niesen sehen wir jetzt die wanderfeindlichen Schneereste der Kaltfront der vergangenen Woche, die auf der Südseite erfreulicherweise schon überall weggeschmolzen sind. Wir folgen dem Grat bis auf den Vorgipfel, wo wir kurz die mystische Bergruhe geniessen, wohlwissend, dass wir die ganz oben nicht mehr finden werden. Auch ein Selfie muss sein, schliesslich läuft nicht jeder von ganz unten auf diesen prächtigen Aussichtsberg!
Wenig später erreichen wir den Gipfel und werfen uns in die turnbeschuhte Menge. Auf der bedienten Terrasse geniessen wir den verdienten, warmen Zmittag und ein grosses Bier. Mit vollem Bauch und einer deftigen Portion Bergsonne im Gesicht steigen wir schliesslich in die Standseilbahn, die unsere Arbeit von rund drei Stunden in 30 Minuten wieder zunichte macht.
Unten steht das bestellte Taxi bereit, das uns nach Spiez auf den Zug bringt. Zufrieden fahren wir durch das neblige Mittelland nach Zürich zurück, wo wir noch vor 16 Uhr unsere Arbeit wieder aufnehmen.
Tourdatum: 27. Oktober 2014
Hi Stacy, I will do my best to fix that problem asap. The site should be responsive to your browser. Do you have the same problem on your iPad?
Best, Edwin