Panorama-Trail zum Klingenstock 1935 m ü. M.

Im Spätherbst tut man gut daran, weit unten zu starten, wenn man über 1’000 Höhenmeter steigen will. Es sei denn, man will im Schnee des frühen Bergwinters enden. Solange kein Hochnebel im Weg ist, gibt es dafür schöne Ideen. Eine davon ist die Alpintour von Morschach zum Klingenstock. Wer nur Genusswandern will, dem sei geraten auf dem Fronalpstock zu starten.


Im kleinen Dorfladen von Morschach lasse ich mich mit frisch gestrichenen Sandwiches ausrüsten (wo gibt es das noch?) und verspreche der charmanten Ladenbesitzerin, den frisch gebackenen Apfelkuchen auf dem Rückweg zu probieren. Das Auto lasse ich auf dem schattig-kalten Parkplatz der Stossbahn zurück, dann geht’s los. Der Pfad steigt schnell an, bald habe ich es wohlig warm. Ein paar Vögel pfeiffen mir zur Begrüssung zu, die Alpweiden sind verlassen.

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Der Vierwaldstättersee mit Pilatus (links) und Rigi (ganz rechts)

Auf der Nordseite des Fronalpstocks lässt die Sonne Ende Oktober lange auf sich warten. Nach unendlichen, kurzen Kehren über steile Wiesen erreiche ich die Alp Eu. Fast 1000 Höhenmeter weiter unten breitet sich der Vierwaldstättersee mit seinen Fjorden aus, auf der anderen Seeseite grüsst einer meiner Lieblings-Urner, der Uri-Rotstock. Tolle Bilder!

Der Urner See und sein Wächter, der Uri-Rotstock (Bildmitte)
Der Urner See und sein Wächter, der Uri-Rotstock (links)

Jetzt beginnt der anspruchsvollste Teil der Tour. Der Pfad windet sich zunächst über einen steilen, leider etwas nassen Grasgrat bis zum Fuss der Felsen, die sogenannten Chälen. Eindrückliche Tiefblicke auf den Urnersee! Dann schmunzle ich über die Launen der Natur: Da tun sich doch tatsächlich kleine Couloirs auf, die dem Berggänger einen fast problemlosen Durchstieg ermöglichen. Was von unten schier unüberwindbar schien, geht für Geübte ganz leicht. Ein bisschen muss man schon auf der Hut sein, aber an den schwierigsten Stellen sind Ketten oder Stahltritte eingebaut.

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Durch diese hohle Gasse werde ich kommen

Dann kommt der ersehnte „Magic Moment“: Der Gipfelgrat ist erreicht und damit die Sonne. Das Panorama erweitert sich um 180 Grad. Das ganze Muotathal breitet sich vor mir aus, dahinter thronen der frisch verschneite Glärnisch und der Bös Fulen. Der Pfad wird zum Weg und führt jetzt sanft über Wiesen weiter. Wenig später sind die letzten Höhenmeter zum Gipfel des Fronalpstocks überwunden. Da die Sesselbahn noch fährt, teile ich die atemberaubende Aussicht auf dieser Kanzel mit zahlreichen Pensonierten und Familien mit Kleinkindern. Der Lärm nach der Ruhe des langen, einsamen Aufstiegs ist heute nicht mein Ding. Ich denke an die feinen Sandwiches im Rucksack, lasse die Beiz links liegen und verschiebe die Lunchpause auf später. Die Ruhe kommt sofort zurück.

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Kurz vor dem Fronalpstock, Blick auf Schwyz und Mythen
Der Blick ins Muothatal mit Glärnisch und Bös Fulen
Der Blick ins Muotathal mit Glärnisch, Bös Fulen, Höch Turm und Ortstock

Die Route von hier zum Klingenstock ist logischerweise gut begangen, auch an diesem letzten Freitag der Herbsferien. Mit Hilfe der beiden Sesselbahnen kommen Bergfreunde mit wenig Mühe zu einem grossartigen Panorama-Trail. Der Weg ist perfekt ausgebaut, die wenigen ausgesetzten Stellen sind gut gesichert. Im leichtem Auf und Ab führt der Gratweg je nach Lauftempo in ein bis zwei Stunden zum Klingenstock.

Das Augenmerk wechselt jetzt vom Vierwaldstättersee zu den Schwyzer Zinnsoldaten. Gemeint sind die auffälligen Gipfel, die das Riemenstaldnertal vom Schächental trennen. Weiss verzuckert sehen sie einfach zum Anbeissen aus. Der Chaiserstock gehört bekanntlich zu meinen Big Favourites. Ich kann mich kaum satt sehen.

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Die Zinnsoldaten Blüemberg, Chronenstock, Chaiserstock, Fulen und Rossstock (v.l.n.r.)
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Der schöne Gratweg lädt zum herbstlichen Sonnenbad – weiter vorne mein Lunchgipfelchen

Der Weg ist abwechslungsreich, man läuft mal auf dieser, mal auf jener Seite des Grats, immer leicht steigend oder absteigend. Dazwischen lassen sich kleine Gipfel besteigen, auf dem Huserstock widme ich mich schliesslich mit Genuss meinen Sandwiches. Zwei freche Vögel leisten mir Gesellschaft, sie müssen mir wohl seit dem Lädeli gefolgt sein.

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Impressionen des schönen Trails

Auf dem Klingenstock bestaune ich nochmals eindringlich die Alpenkette und versuche mir alles einzuprägen. Es wird wohl die letzte Wanderung auf 2’000m ü. M. gewesen sein in diesem Jahr. Etwas wehmütig schwebe ich knieschonend mit der Bahn hinunter. Ein kurzer Spaziergang führt durch die Streusiedlung Stoss zur altersschwachen Gondel, die mich nach Morschach zurückbringt. Wenig später widme ich mich auf einer vollbesonnten Bank in Morschach dem ausgezeichneten Apfelkuchen. Er tröstet mich über das nahende Ende der Bergsaison 2013 hinweg.

Tourdatum: 19. Oktober 2013

Kartenausschnitt Fronalpstock (pdf)

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben

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3 Kommentare

  1. Hallo Edwin

    Wow, was für Bilder – einmalig ! Deine neue Darstellung ist genial, chapeau. Obwohl ich nicht alpinwandere sondern auf den rot-weiss-markierten Wegen unterwegs bin, gefällt mir deine Seite sehr gut und inspiriert für Wandertouren. Gruss Jürg

    • Nimm die Bahn nach Stoss und laufe über den Fronalpstock zum Klingenstock. Dann sparst Du ein paar Hundert Höhenmeter und kannst nur geniessen….
      Herzlicher Gruss, Edwin

  2. Hallo Edwin
    So habe ich es gemacht. Mit der Bahn auf den Stoos und dann aber auf den Klingenstock gewandert und von dort rüber zum Fronalpstock. So hat es weniger „Gegenverkehr“ 😉
    Danke für deinen Beitrag und die schönen Bilder und ich wünsche dir noch viele schöne Wanderungen.
    Grüsse
    Rolf

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